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Berlin: Genossin bleiben - aber nicht in Berlin

Gerda Wehrmann ist eine resolute Dame, und sie hat Prinzipien. Mit diesen beiden Eigenschaften hat sie die SPD vor beinahe unüberwindliche bürokratische Hindernisse gestellt.

Gerda Wehrmann ist eine resolute Dame, und sie hat Prinzipien. Mit diesen beiden Eigenschaften hat sie die SPD vor beinahe unüberwindliche bürokratische Hindernisse gestellt. Und alles nur, weil Frau Wehrmann zwar in der Partei bleiben will, schließlich ist sie dort schon seit Jahrzehnten Mitglied, aber nicht in deren Berliner Landesverband. Sie kauft der PDS nämlich nicht ab, dass sie sich geändert hat. "Wenn ich das schon höre", sagt Gerda Wehrmann gallig, schüttelt sich selbst die Hand, verdreht dazu die grünen Augen und flötet mit spöttischem Lächeln: "Versöööhnung!" Versöhnung komme nur über Einsicht, sagt sie dann. Dass mal einer sagt: Ich habe damals falsch gedacht, aber jetzt leuchtet mir das ein. Diese Einsicht vermisse sie bei den meisten PDS-Mitgliedern, besonders den Älteren.

Frau Wehrmann ist eine Frau der Tat. Am 16. Juni 2001 schaltete sie im Tagesspiegel eine vier mal vier Zentimeter große Anzeige, für die sie gut 300 Mark bezahlte. Der Wortlaut: "NEIN, SPD! Der Weg ist falsch. Es wird sich erweisen. Ich gehe ihn nach 35-jähriger Mitgliedschaft nicht mit. Gerda Wehrmann, Berlin-Charlottenburg". Die SPD verstand das allerdings nur als politische Meinungsäußerung eines Mitglieds und nicht so, wie es gemeint war: als Austrittserklärung. Frau Wehrmann stellte die Mutterpartei vor die Wahl: Entweder ihr lasst mich in einen anderen Landesverband wechseln, oder ich trete aus. Nun sehen die Statuten allerdings vor, dass man nur dort Mitglied sein kann, wo man wohnt. Also Berlin. Da entfaltete Frau Wehrmann die ihr eigene Tatkraft und telefonierte. Ein findiger Genosse in einem westdeutschen Landesverband kam auf den rettenden Trick: Er entdeckte eine Klausel, wonach Deutsche, die im Ausland leben, sich ihren Landesverband selbst aussuchen können. Er nahm Frau Wehrmann auf mit der Begründung, sie ziehe ins Ausland.

Gerda Wehrmann wird bald 80 Jahre alt. Sie flüchtete 1958 aus Ost- nach West-Berlin. Ihr war die Freiheit, die sie im Westen genoss, immer bewusst. "Ich habe die Klappe oft und weit genug aufgerissen", sagt sie. Und ist zufrieden: "Ich habe getan, was ich konnte."

Fatina Keilani

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