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Transparente aus den Fenstern und auf der Straße: Die Anwohner im Wrangelkiez zeigen offen, dass sie den Bizim Bakkal-Obst- und Gemüseladen nicht gehen lassen wollen.

© Juliane Fiegler

Gentrifizierung in Berlin-Kreuzberg: Gemüseladen im Wrangelkiez droht das Aus

Nachdem das Haus in der Wrangelstraße 77 einen neuen Besitzer hat, soll einer der der ältesten Gemüseläden im Kiez schließen. Die Anwohner treibt das auf die Straße - sie wollen, dass der traditionsreiche Laden bleibt.

In den Fenstern der Zeitungsläden, Köftebuden und Geschäften rund um die Wrangelstraße 77 kleben gelb-grüne Aufkleber. Ein großes Transparent mit der Aufschrift „Bizim Bakkal bleibt – wir auch“ ist über die ganze Straße gespannt. An den vergangenen drei Mittwochen hat sich die Wrangelstraße in einen Versammlungs- und Kundgebungsort verwandelt. Die Anwohner protestieren gegen die Kündigung des Mietvertrages für den Obst- und Gemüseladen Bizim Bakkal, der seit 28 Jahren und mittlerweile schon in der dritten Generation geführt wird.

Gerüchte von renovierten Eigentumswohnungen

Vor einem Jahr hat Ahmet Caliskan noch die ganze rechte Seite seines Obst- und Gemüseladens renoviert, inklusive Kühlräume. Insgesamt hat er in den 28 Jahren, in denen seine Familie das Geschäft führt, mehrere zehntausend Euro in „Bizim Bakkal“ gesteckt. Der Laden gilt als der letzte Gemüsehändler im Kiez, der vom Inhaber geführt wird und nicht zu einer Kette gehört. Im März kam dann plötzlich die Kündigung – ein Grund wurde nicht genannt.

Die Wrangelstraße 77 hat aber einen neuen Eigentümer – es heißt, er wolle alle Räumlichkeiten im Haus renovieren. Von den anderen Mietern im Haus hat Caliskan gehört, dass für das Haus Eigentumswohnungen geplant seien. Gesehen oder gesprochen habe er den neuen Besitzer aber nie.

Die neue Hausverwaltung des Gebäudes ging weder auf Caliskans Vorschlag ein, eine höhere Miete zu zahlen, noch auf ein Kaufangebot für den Laden. Für einen Kommentar war die Verwaltung am Donnerstag nicht zu erreichen.

Des Eigentümers "gutes" Recht

Baustadtrat Hans Panhoff hat den neuen Eigentümer per Mail darum gebeten, „dass er die Kündigung für den Laden noch mal überdenkt“. Eine Rückmeldung stehe noch aus. Mehr als das könne Panhoff für Caliskan im Moment nicht tun – schließlich ist es das Recht des Eigentümers, dem Gemüsehändler zu kündigen. Erst wenn der neue Eigentümer Grundrissänderungen in den einzelnen Wohnungen des Hauses vornehmen will, zum Beispiel große Balkone an- oder zusätzliche Badezimmer einbauen will, könnte der sogenannte Milieuschutz zum Einsatz kommen. Durch die Verordnung kann eine Luxussanierung der Wohnungen verhindert werden, die dazu führen würde, dass die Wohnungen teurer verkauft oder vermietet werden könnten.

Das Aktionsbündnis, das sich nun jeden Mittwoch um 19 Uhr vor dem Bizim Bakkal trifft, will verhindern, dass der Gemüseladen aus dem Kiez verschwinden muss. In verschiedenen Arbeitsgruppen überlegen die Freunde, Nachbarn und Kunden von Caliskan, wie sie den Ladeninhaber unterstützen – oder den Eigentümer doch noch erweichen können.

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Juliane Fiegler

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