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So wie der Ätna spuckte auch der Berliner Vulkan einmal Lava.

© imago/Independent Photo Agency

Geologie: Unter Berlin liegt ein Vulkan

Vor 290 Millionen Jahren floss glühende Lava von einem riesigen Berg. Heute liegt der Gipfel rund 4000 Meter unter der Hauptstadt. Gefahr droht nicht mehr.

Die zwanziger Jahre in Berlin waren ein Tanz auf dem Vulkan. Das wissen wir schon lange, ohne bisher geahnt zu haben, dass dieses Bild einen geologisch wahren Kern hat. Tief unter der Hauptstadt schlummert ein Vulkan von enormen Ausmaßen. Vor rund 290 Millionen Jahren flossen von dem mehrere Tausend Meter hohen Schildvulkan glühende Lavaströme hinab ins Tal, von den Gipfeln im heutigen Norden Berlins ergoss sich das Magma rundherum auch bis Potsdam hinab, dem damaligen – wenn auch noch unbewohnten – Pompeji Berlins.

Im Erdzeitalter Perm gab es auf dem Gebiet des heutigen Brandenburgs zahlreiche Vulkane – die größten davon im Raum Angermünde und eben der versunkene Gigant, dem die Geologen den Namen der heutigen Hauptstadt gaben. „Das war schon ein bombastisches Ding“, sagt der ehemalige Leiter der Brandenburger Landesgeologie, Werner Stackebrandt. Zwar war der Schildvulkan weniger gefährlich als andere Vulkane in der Region, doch von seinen Ausmaßen her könne man ihn durchaus mit dem Vesuv oder gar dem Mauna Loa auf Hawaii vergleichen. Der Berliner Koloss war in etwa so groß wie die Kanareninsel La Palma.

In der Permzeit ragte der Vulkan noch weit höher über die Erde

Heute liegt der Vulkan in fast 4000 Meter Tiefe unter der Stadt. Geologen hatten seit langem angenommen, dass es im Permzeitalter in Brandenburg Vulkane gab. Damals querte ganz Mitteleuropa ein riesiges Faltengebirge, aufgeschoben von den Erdplatten des einstigen Superkontinents Pangäa. Das Gebirge, an dessen nördlichem Rand sich das heutige Brandenburg befand, nennen die Forscher Variszisches Gebirge. Die hohe Krustenmobilität in dem Gebiet verursachte dann den späteren Vulkanismus.

Gewissheit erhielten die Forscher durch zahlreiche Tiefbohrungen noch zu DDR-Zeiten. Damals wurde nach Erdgas- und Ölvorkommen gesucht. Man stieß dabei unter anderem auf die Reste des ehemaligen Berliner Vulkans, die verbliebenen 1000 Meter Vulkangestein wurden komplett durchbohrt. In der Permzeit ragte der Vulkan aber noch weit höher über die Erde, der Gipfel am nordöstlichen Berliner Stadtrand dürfte mindestens 2000 Meter hoch gewesen sein, schätzt Stackebrandt.

In der sogenannten Rotliegend-Zeit gab es für rund fünf Millionen Jahre im gesamten norddeutschen Raum extrem starken Vulkanismus, erklärt Stackebrandt, heute Vorstand des Fördervereins des Potsdamer Geoforschungszentrums (GFZ). Das über 1000 Grad heiße dünnflüssige Magma aus dem Erdinneren floss aus dem Berliner Schildvulkan vergleichsweise langsam in die Brandenburger Senke, vergleichbar fast schon mit einem glühenden Bach, wie es heute auf Hawaii zu beobachten ist. „Der Berliner Vulkan war im Vergleich zu den explosiven Vulkanen eher ein ruhiger Kollege“, sagt Stackebrandt. Im Magdeburger Raum hingegen hatte man es mit sehr zähem Magma zu tun, das sich bisweilen mit gewaltigen Explosionen seinen Weg nach draußen suchte.

Heute ist der Vulkan längst abgekühlt

Im heutigen Brandenburg findet sich in der Tiefe fast flächendeckend vulkanisches Gestein. In der Prignitz, in der Uckermark und im Osten lagen wohl die höchsten Vulkane. „Diese Zentren waren alle in der gleichen Zeit aktiv“, so Stackebrandt. Dinosaurier gab es damals noch nicht auf der Erde.

Von der Erdoberfläche verschwunden sind die Vulkane vor allem durch die Absenkung des Norddeutschen Beckens. Noch während der Rotliegend-Zeit bis vor rund 260 Millionen Jahren wurde der Berliner Vulkankegel wieder von Sand, und Ton und Kies zugeschüttet.

Gefahr drohe von dem Ungetüm tief unter Berlin nicht mehr, beruhigt der Geologe. Und auch als Energielieferant tauge der versunkene Vulkan nicht mehr. „Der ist längst abgekühlt.“

Jan Kixmüller

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