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Anwohner in Britz wehren sich gegen Neonazis

© DAVIDS/Boillot

Geplante Flüchtlingsunterkunft: Britz will kein zweites Hellersdorf werden

In Neukölln öffnet bald ein Flüchtlingsheim. Anwohner wollen verhindern, dass Neonazis das Thema für ihre Propaganda nutzen. Und haben sich etwas ausgedacht.

Das bunte Britz leuchtet an diesem Sonntag blau-rot-gelb-grün. Von Weitem sieht es aus wie ein Zirkuszelt, bewacht von Göttern und Elefanten, alle kunstvoll modelliert an der Fassade. Fünf Jahre lang ist hier gebaut worden am Sri Mayurapathy Murugan Tempel, für die Neuköllner ist es kurz der Hindu-Tempel. Manch einer hat befürchtet, es würden ungebetene Gäste kommen zur Eröffnungsparty. Wie vor fünf Jahren, als die NPD hier grölend aufmarschierte gegen das, was sie „Multi-Kulti-Terror“ nennt.

Auch die Britzer Hindus haben die Bilder aus Hellersdorf gesehen. Die Bilder von der Versammlung mit dem Bezirksbürgermeister, der über ein geplantes Flüchtlingsheim reden wollte und am Ende kapitulierte vor pogromartiger Stimmung. Auch in Britz wird ein Flüchtlingsheim gebaut. Am Donnerstag wollen sie darüber diskutieren, bei einem Infoabend in der Fritz-Karsen-Schule, vom Britzer Tempel sind es nur ein paar Schritte über die Blaschkoallee und dann die Onkel-Bräsig-Straße herunter. Könnte ja sein, dass die Neonazis sich schon mal warmmachen wollen für ein neues Hellersdorf.

„Es wird kein zweites Hellersdorf geben“, sagt Jürgen Schulte. „Jedenfalls haben wir vorher alles dafür getan, dass es keines geben wird.“ Er gehört zum „Aktionsbündnis Britz für Vielfalt und Demokratie“, das für den Donnerstag um 19.30 Uhr in die Aula der Fritz-Karsen-Schule eingeladen hat. Aber das eigentlich Interessante ist das Drumherum. Der Rahmen, mit dem die Britzer verhindern wollen, dass es zu einem zweiten Hellersdorf kommt.

Damit die Braunen nicht aufmarschieren können, marschiert das bunte Britz selbst auf. Rund um die Schule haben Verdi, Eisenbahner-Gewerkschaft und das Britzer Aktionsbündnis für den Donnerstag öffentliche Veranstaltungen angemeldet. Die Polizei will schon an den U-Bahnhöfen Blaschkoallee und Parchimer Allee potenziellen Krawallmachern die Anreise verwehren. Hundeführer sollen rund um das Schulgelände patroullieren, zur Not stehen zwei Hundertschaften an Polizisten bereit. Zum Informationsabend ist ausdrücklich nicht jeder eingeladen. „Wenn wir jemanden der rechtspopulistischen Szene zuordnen können, lassen wir ihn nicht rein“, sagt Jürgen Schulte. „Und wer ausländerfeindliche Parolen brüllt, fliegt sofort raus.“

Jürgen Schulte ist in Hagen geboren, aber sein halbes Leben hat er in Britz verbracht. Er war Lehrer am Einstein-Gymnasium und hat jetzt mit 66 Zeit für das Aktionsbündnis. Das war eine spontane Reaktion nach den Übergriffen auf eine Britzer Familie, die einfach nur keine NPD-Werbung im Briefkasten haben wollte und dafür mit nächtlichen Angriffen terrorisiert wurde. Hunderte aus der Nachbarschaft sind darauf im vergangenen Jahr zur Adventszeit durch die Straßen gezogen und haben eine Lichterkette gebildet mit der Botschaft: Britz ist bunt und nicht braun. Letztens erst hat die NPD in Rudow bei einer Rede von Peer Steinbrück gestört. „Die melden eine Veranstaltung an, kommen mit Lautsprechern und blasen ihre Propaganda raus“, sagt Schulte. „Da haben wir uns gedacht: Melden wir eben selbst etwas an.“ Geheime Kommandosache, die Rechten durften nichts mitbekommen, denn wer zuerst kommt, demonstriert zuerst.

Die ganze Aufregung steht in schönem Kontrast zur Stille an der geplanten Flüchtlingsunterkunft. Zurzeit zeugen nur ein Bauwagen und ein Dixi-Klo auf einer Wiese an der Neuen Späthstraße von dem Projekt. „Eine Unterbringung in Wohnungen wäre besser“, sagt Jürgen Schulte, „so ein Heim für 400 Menschen wirkt doch wie ein Lager“. Das Grundstück gehört dem Möbelhändler Kurt Krieger, er hat es dem Bezirk kostenlos bis Ende 2015 überlassen. Es liegt am Teltowkanal in einem Gewerbegebiet, zur Nachbarschaft zählen Tankstelle, Baumarkt und Autobahn. Auf der anderen Seite des Kanals beginnt Treptow-Köpenick, was Neuköllns Schulstadträtin Franziska Giffey (SPD) auf den Gedanken gebracht hat, mit den Kollegen dort das Gespräch zu suchen. Zur Fertigstellung der Unterkunft Anfang 2014 rechnet sie mit bis zu 100 Flüchtlingskindern, die unterrichtet werden müssen. Die Britzer Schulen sind fast alle überbelegt.

Auch danach wird zu fragen sein bei der Diskussion am Donnerstag. Fürs Bezirksamt sitzt Sozialstadtrat Bernd Szczepanski (Grüne) auf dem Podium. Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) haben sie nicht eingeladen, denn das bunte Britz ist nicht immer so begeistert von Deutschlands berühmtestem Dorfschulzen. „Seine bisherigen Äußerungen passen nicht zum Rahmen, den wir uns vorstellen“, sagt Jürgen Schulte. „Wir wollen keine Konfrontation, sondern Verständnis.“ Wenn aber Buschkowsky am Donnerstag vor der Tür stehen sollte, „ist er natürlich herzlich willkommen“.

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