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Eingang verlegt. Durch die Tür der Rigaer Straße 96 gehen künftig auch die neuen Mieter des ehemaligen Liebig-14-Hauses.

© Tsp

Geräumtes Haus: Liebig 14 bekommt eine Deckadresse

Im Friedrichshainer Häuserkampf greift der Eigentümer der "Liebig 14" zu Guerilla-Taktiken: Das geräumte Haus wird als Rigaer Straße 96 vermietet.

Die Erinnerung an das ehemals besetzte, im Februar mit massivem Polizeiaufgebot geräumte Haus soll aus dem Straßenbild gelöscht werden – durch die Verlegung des Hauseingangs in die benachbarte Rigaer Straße 96. Unerkannt, aber nur auf Umwegen werden deshalb die neuen Mieter des inzwischen sanierten Gebäudes ihre Wohnungen mit Blick auf die Liebigstraße erreichen: über den Hinterhof des Nachbarhauses.

Damit zieht der Hauseigentümer offenbar die Konsequenz aus den Kampfansagen der linksalternativen Szene. Deren Mitglieder hatten wiederholt erklärt, sich nicht mit der Räumung des im Jahr 1990 besetzten Hauses abfinden zu wollen. Den Worten hatten sie auch Taten folgen lassen: Mitte Mai hatten rund 20 Aktivisten die Fassade der Liebig 14 mit Pflastersteinen beworfen. Dabei gingen auch Fenster zu Bruch. Zuvor waren Unbekannte über das Dach in das Haus eingedrungen, hatten Heizungsrohre kaputt getreten. Auch Feuer wurde ein Mal gelegt.

Verrammelt. Der Eigentümer hat eine Holzplatte vor die Tür des einst besetzten Hauses montiert.
Verrammelt. Der Eigentümer hat eine Holzplatte vor die Tür des einst besetzten Hauses montiert.

© Tsp

Nicht nur der Eingang zur Liebig 14, sondern auch Klingelschild und Briefkästen des umkämpften Hauses werden in der Rigaer Straße angebracht. „Möglich ist das, so lange man nicht zwei Zugänge schaffen will“, sagt Dieter Blümmel, Sprecher des Verbandes Haus und Grund. Und nach Angaben des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen ist dazu nicht einmal eine Anzeige beim Bauamt erforderlich.

Nach der Übernahme der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GSW durch private Investoren hatten die neuen Eigentümer ebenfalls Eingang und Postanschrift geändert. An die Zeiten einer vitalen Außerparlamentarischen Opposition in Berlin mochten die Immobilien-Händler nicht täglich erinnert werden – ihre Zentrale betreten sie nun nicht mehr von der Rudi-Dutschke-Straße, sondern nur noch von der Charlottenstraße.

Im Falle der Liebig 14 dürfte die Tarnung der früheren Hausanschrift auch die Vermietung des Hauses „im Samariterviertel Friedrichshains“ befördert haben. Das wird im Internet beworben und der Makler berichtet, dass nur noch zwei Wohnungen frei seien: eine mit zwei und eine mit drei Räumen. Seinen Namen will der Makler nicht in der Zeitung lesen. Gut acht Euro Miete pro Quadratmeter und Monat plus Nebenkosten verlangt er. Nachbarn aus der Rigaer Straße 96 überweisen teils deutlich weniger als die neuen Mieter, mit denen sie ihren Hauseingang nun teilen müssen.

Aber diesen Vergleich lässt der Makler nicht gelten: Die Liebigstraße 14 sei „kernsaniert“: die Holzdielen abgeschliffen, neue Bäder und Gästetoiletten eingebaut. Es gebe Stuck an den Wänden und die schönen alten Türen seien aufgearbeitet worden. Dank Fernwärme seien die Heizkosten gering. Die gesamten Nebenkosten würden zwei Euro pro Quadratmeter und Monat kaum überschreiten.

Auf den Bildern der Rigaer Straße 96 im Internet sind ordentlich sanierte Wohnungen eines Altbaus zu erkennen, dessen Vergangenheit allenfalls bei ganz genauer Betrachtung aufblitzt: an der an einem Fenster verlaufenen schwarzen Farbe – Spuren eines geplatzten Farbbeutels, der gegen das Gebäude geschleudert wurde.

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