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Gerichtsentscheidung: Hartz IV: Großzügige Umzugsregelung kostet Berlin Millionen

Ein Jahr lang hatten Berliner Empfänger von Arbeitslosengeld II einst Zeit, sich eine neue Wohnung zu suchen, wenn ihre alte dem Amt zu teuer war. Dem Bund, der die Kosten dafür teilweise trug, wurde das zu bunt - nun muss das Land zahlen.

Das Land Berlin muss dem Bund 13,1 Millionen Euro Schadenersatz zahlen, da es zu lange überhöhte Mietkosten von Hartz-IV-Beziehern übernommen hatte. Das Bundessozialgericht in Kassel bezeichnete am Dienstag die in Berlin bis Dezember 2008 geltende Verwaltungsvorschrift als rechtswidrig, nach der die Jobcenter bis zu einem Jahr lang zu teure Mieten bezahlten. Diese widerspreche den Regelungen des Sozialgesetzbuches II, wonach nicht angemessene Kosten in der Regel „längstens für sechs Monate“ übernommen werden dürfen.

Da sich der Bund in diesem Zeitraum mit knapp einem Drittel an den Mietkosten beteiligte, hatte das Bundesarbeitsministerium Ende 2008 auf Schadenersatz geklagt. Der Bund konnte sich aber nicht vollständig mit seiner Forderung nach 47 Millionen Euro plus Zinsen vor Gericht durchsetzen. Diese Höhe erkannte das Gericht nicht an, dem Bund sei ein bedeutend niedrigerer Schaden entstanden. Denn nicht in allen Fällen war es rechtswidrig, zu hohe Kosten gezahlt zu haben. Für Familien mit Kindern oder ältere Menschen gelten nämlich besondere Regelungen.

Die Sozialrichter fanden deutliche Worte für die Berliner Regelung. Der Senat habe „vorsätzlich und schwerwiegend seine Pflicht verletzt, höherrangiges Recht“ zu beachten. Mit der zu spät erfolgten Prüfung habe das Land „systematisch und ungeprüft selbst gänzlich unangemessene Unterkunftskosten“ übernommen, sagte BSG-Präsident Peter Masuch.

Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) bedauerte das Urteil. Sie sei aber froh darüber, dass der Bund nicht „mit überzogenen Forderungen“ durchgekommen sei. Sie halte es weiter für richtig, den Schwerpunkt darauf zu legen, „dass im ersten Jahr des Bezuges von Arbeitslosengeld II die Suche nach Arbeit im Vordergrund stehen sollte“, sagte Bluhm. Der Senat änderte die Übernahmeregelung vor einem Jahr und verkürzte die Frist auf ein halbes Jahr. In Berlin belaufen sich die Kosten für Unterkunft derzeit auf 1,34 Milliarden Euro; der Anteil des Bundes liegt inzwischen bei 23 Prozent.

Seit 2006 wurden knapp 43 000 Haushalte aufgefordert, ihre Mietkosten zu senken; dies ist den meisten von ihnen nach Bluhms Angaben auch gelungen. 2000 Haushalte mussten in diesem Zeitraum in eine billigere Wohnung wechseln. Derzeit erhalten rund 329 000 Haushalte Leistungen nach Hartz IV.

FDP-Fraktionschef Christoph Meyer nannte das Urteil eine „schallende Ohrfeige“ für den Senat. Wenn eine Landesregierung wissentlich rechtswidrig handelt, dürfe dies nicht ohne personelle Konsequenzen bleiben. Die CDU kritisierte, dass der Senat nicht rechtzeitig reagiert habe und keine Rückstellungen für den Schadenersatz gebildet habe.

Das Kasseler Urteil ist die dritte gerichtliche Schlappe innerhalb weniger Monate. Im Oktober erklärte das Landesverfassungsgericht die vom Senat abgelehnten Volksbegehren zu Kitas und zur Privatisierung der Wasserbetriebe für zulässig. Vor zwei Wochen kippte das Bundesverfassungsgericht die Regelungen zum Sonntagsshopping im Advent.

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