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Gerichtsurteil: Eltern sollen Schule frei wählen

In Berlin ist ein Elternpaar vor Gericht gezogen, weil eine Grundschule in Kreuzberg dessen Sohn abgewiesen hatte. Zu Unrecht, wie die Richter befanden. Bei Schulen mit besonderem Profil dürfe die Wohnortnähe nicht den Ausschlag geben, urteilten sie. Der Beschluss kann weitreichende Folgen haben.

Ein Berliner Elternpaar hat einen Teil der Wohnortregelung für Grundschüler zu Fall gebracht. Der Sohn der Kläger muss jetzt von der Clara-Grunwald-Schule in Kreuzberg aufgenommen werden, obwohl er vorher abgewiesen worden war. Andere Kinder, die in der Nähe der Schule wohnen, waren vorrangig angenommen worden – ungerechtfertigt, stellten die Verwaltungsrichter jetzt fest. Das Kriterium der Wohnortnähe schränke dieWahlfreiheit der Eltern unverhältnismäßig ein. Den entsprechenden Paragraphen erklärten sie für nichtig (VG 9 A 74.07).

„Der Beschluss kann weitreichende Folgen haben“, hieß es aus dem zuständigen Rechtsamt. „Vielleicht legen wir Rechtsmittel ein. Wir prüfen gerade die Erfolgsaussichten.“ Die Behörde müsse sich auf eine Verordnung verlassen können; vielleicht halte die nächste Instanz die Verordnung ja doch für gültig.

Beim Verwaltungsgericht sind derzeit allein 70 Eilverfahren rund ums Thema Schule anhängig, „mit schnell wachsender Tendenz“, wie Gerichtssprecher Robert Seegmüller sagte. Einen Schwerpunkt machten die Pankower Fälle aus, wo zahlreiche Eltern auf Aufnahme in ihre überfüllte wohnortnahe Schule klagten. Es zeige sich dort aber eine „Tendenz zur gütlichen Erledigung“.

Die Clara-Grunwald-Schulleiterin Regina Arlt zeigte sich überrascht. Das Ergebnis des Verfahrens hatte ihr am Dienstag noch niemand mitgeteilt. „Wenn das Schule macht, wird Schule schwer planbar“, sagte Arlt. Die Schule müsse die Zahl der Klassen und deren Größe aber planen, sonst gebe es womöglich später Beschwerden über zu große Klassen. Auch im zuständigen Schulamt löste der Gerichtsbeschluss Unruhe aus. „Jetzt kann man sich nicht mal mehr auf die Gesetze verlassen“, hieß es von dort. Dabei sei die Verordnung ja noch ganz frisch; gerade erst habe man mühsam das Verfahren umgestellt. Derzeit würden zahllose Widerspruchsbescheide erstellt; so kurz vor den Ferien noch neue Kriterien für die Schulaufnahme zu entwickeln, sei fast unmöglich.

Die Grunwald-Schule ist eine Montessori-Schule und der Gerichtsbeschluss nicht ohne Weiteres auf andere übertragbar. Für Schulen mit besonderer pädagogischer Prägung gilt in Berlin, dass sie allen offen stehen sollen; hier gilt das Prinzip der Einzugsbereiche grundsätzlich nicht. Allerdings hat der Senat in seiner „Verordnung über die Aufnahme in Schulen besonderer pädagogischer Prägung“ just für die Grunwald-Schule eine Ausnahme von der Ausnahme eingebaut. An dieser Schule sollen zwei Drittel der Kinder aus der Nähe kommen. „Dabei ist Wohnortnähe doch gar kein Kriterium für die Pädagogik“, sagt Rechtsanwalt Lutz Hambusch, der den Beschluss erstritt. Das sah auch das Gericht so – und erklärte den Passus der Verordnung für nichtig. Für die Aufnahme an Schulen besonderer Prägung sei die Eignung der Schüler entscheidend. Diese steige nicht mit der Nähe zur Schule. Wenn Schüler aus der Nähe Vorrang hätten, würde die Zusammensetzung der Schülerschaft der an einer herkömmlichen Schule entsprechen.

Fatina Keilani

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