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Gelber Brief für die Grüne. Monika Herrmann, Bürgermeisterin Friedrichshain-Kreuzbergs, darf in ihrem Bezirk keinen Versuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabis starten.

© DAVIDS/Sven Darmer

Gescheiterter Coffeeshop-Antrag in Kreuzberg: Kein Cannabis, kein Plan

Ratlosigkeit nach dem Aus für die kontrollierte Cannabis-Abgabe in Kreuzberg. Die CDU setzt auf Repression, die SPD ist uneins. Und die Grünen sehen sich langfristig auf dem richtigen Weg.

Von Innensenator Frank Henkel (CDU) gab es die erwartete Breitseite: „Damit ist das Kreuzberger Drogenbiotop von Frau Herrmann schon im Ansatz gescheitert. Das ist gut so. Der Staat darf nicht zum Dealer werden.“ Unverhohlene Genugtuung auch von CDU-Fraktionschef Florian Graf: „Damit ist klar, dass die grünen Phantastereien der Bezirksbürgermeisterin Herrmann Illusion bleiben.“

Das klingt fast wie 80er Jahre, als sich CDU und grün-alternative Liste noch spinnefeind waren. Eine solide schwarz-grüne Antipathie. Vordergründig ging es um den vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte abgelehnten Cannabis-Coffeeshop-Antrag des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, der am Montag öffentlich bekannt gemacht wurde. Dahinter schwelt der Dauerkonflikt um die aus Sicht der CDU völlig verfehlte Kreuzberger Politik gegenüber Drogenkonsumenten und illegalen Flüchtlingen. Die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann ist für Henkel und Graf schon lange nicht mehr tragbar. Rücktrittsforderungen wie nach dem Debakel um die von Flüchtlingen besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule blieben diesmal allerdings aus.

Die ideologische Mauer steht, sagt Herrmann

Die Bezirksbürgermeisterin trat am Montag aufgeräumt, aber wenig kampfeslustig vor die Presse. Die ideologische Mauer der alten Drogenverbotspolitik sei eben nicht durchbrochen worden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel habe vor allem formaljuristisch argumentiert und sich für nicht zuständig erklärt. Eine inhaltliche „Gesamtwürdigung des Antrags“ sei ausgeblieben.

Die auf sechs Seiten formulierte Ablehnung des Antrags lässt sich auch anders deuten: Das Bundesinstitut geht durchaus auf inhaltliche Fragen ein, kritisiert vor allem einen Widerspruch, der schon bei der Antragsformulierung Zweifler auf den Plan gerufen hatte. Die geplante kontrollierte Abgabe geringer Cannabismengen sollte nur den erwachsenen Bewohnern des Bezirks offenstehen. Zu den häufigsten Konsumenten, die die Partymeile zwischen Görlitzer Park und RAW-Gelände bevölkern, zählen aber – auch nach eigener Einschätzung des Bezirksamts – vor allem Touristen aus anderen Bezirken, Bundesländern und dem Ausland.

Schlechter Stoff, kriminelles Umfeld

Auch ein Weiterverkauf sei nicht ausgeschlossen, erklärte das Institut. Zudem gehe von einer legalen Abgabe das falsche Signal aus, der Stoff sei vielleicht gar nicht so gesundheitsschädlich. Das Dilemma der Drogenpolitik wird zwischen den Zeilen deutlich: Ein Schwarzmarkt birgt viele Gefahren für die Konsumenten – schlechter Stoff, ein kriminelles Umfeld – ein legalisierter Teilmarkt würde aber weder den Schwarzmarkt austrocknen noch die Langzeitfolgen der Sucht lindern.

Das Bundesinstitut verweist auf den Gesetzgeber. Der Bundestag könne das Betäubungsmittelgesetz ändern und damit die Voraussetzungen für Modellversuche schaffen. Auch Monika Herrmann setzt jetzt auf entsprechende Gesetzesnovellen der grünen Bundestagsfraktion. Ihr Cannabis-Experte, Horst-Dietrich Elvers von der Planungs- und Koordinierungsstelle Gesundheit im Bezirk, betonte, die Antwort aus dem Bonner Institut sei keine Niederlage – im Gegenteil. Der negative Bescheid werde die Debatte um eine Cannabis-Freigabe befördern. „Das Ziel ist in dieser Hinsicht erreicht“

Ich verstehe das Problem nicht ganz. Es gibt eine eindeutige Bundesgesetzgebung, die umzusetzen ist. Grüne Stadtteilbürgermeister können da hoch und runter hüpfen, wie sie wollen, sie haben da nichts zu sagen...

schreibt NutzerIn ThomasM

Und wie geht es nun weiter zwischen Görlitzer Park und RAW-Gelände? Monika Herrmann erklärt sich für nicht zuständig und verweist auf den Innensenator. „Der Görlitzer Park ist ein Synonym für die verfehlte Drogenpolitik des Landes. Der Druck wird täglich größer, da was zu tun.“ Henkels „Null-Toleranz-Politik hat jedenfalls null Wirkung“, ergänzt der innenpolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Benedikt Lux.

Polizei-Bilanz: 519 Festnahmen, 84 Haftbefehle

Das sieht Henkels Sprecher Stefan Sukale natürlich anders. Die Task-Force gegen den den Drogenhandel an den Brennpunkten zwischen Hasenheide und RAW-Gelände habe zu „deutlich mehr Festnahmen“ und der Beschlagnahmung von Drogengeldern geführt. Im Park hielten sich inzwischen weniger Händler auf. Natürlich gebe es eine Verdrängung in die Seitenstraßen, aber dort träfen die Händler nicht so einfach ihre Kunden wie im Park. „Das Problem ist damit nicht gelöst, aber der Druck auf die Dealer wurde erheblich erhöht.“ In Zahlen ausgedrückt: Im laufenden Jahr wurden laut Polizei bei 365 Razzien im Görlitzer Park 5000 Personen überprüft, 519 wurden festgenommen, in 84 Fällen gab es einen Haftbefehl. 39 000 Euro an Handelserlösen wurden beschlagnahmt.

Von der Landesdrogenbeauftragten Christine Köhler-Azara gibt es keinen Kommentar zum gescheiterten Coffeeshop-Modellversuch. Dafür von der Polizeigewerkschaft: „Die Entscheidung wird bundesweite Signalwirkung haben und das ist gut so, denn der Staat darf nicht die Botschaft aussenden, der Konsum von Drogen sei nicht so schlimm.“ Gewerkschaftschef Rainer Wendt fordert Herrmann auf, „das Problem Görlitzer Park endlich in den Griff zu bekommen.“ Was sie genau tun soll, lässt er offen. Der Bezirk ist vor allem für die Pflege der Grünfläche zuständig. Im Frühjahr wurden Sträucher zurückgeschnitten und eine private Firma mit der täglichen Entmüllung beauftragt. Geplant ist außerdem, Toiletten aufzustellen und einen Parkmanager einzustellen.

Wer soll den Görlitzer Park managen?

Die SPD in Kreuzberg hatte den Coffeeshop-Antrag mitgetragen. Die Landes-SPD ist in dieser Frage uneins. Für eine neue Drogenpolitik tritt der SPD-Abgeordnete Thomas Isenberg ein: „Wichtig wäre es, dass sich Berlin auch auf Bundesebene für einen neuen Rechtsrahmen einsetzt, der vor Ort eine regulierte und kontrollierte Abgabe an Erwachsene ermöglicht, den Schwarzmarkt austrocknet sowie Jugendschutz und Prävention ausbaut.“ Isenberg fordert Herrmann auf, Widerspruch gegen die Ablehnung ihres Antrags einzulegen. Dafür hat sie vier Wochen Zeit.

Der SPD-Fraktionschef in der BVV, Andy Hehmke, appelliert an Herrmann, jetzt nicht den Kopf in den Sand zu stecken und politische Schaukämpfe mit der CDU aufzuführen. Nur gemeinsam mit dem Senat könne das Drogenproblem im Görlitzer Park angegangen werden. Das Angebot des Senats, das landeseigene Unternehmen Grün Berlin mit dem Parkmanagement zu betrauen, hätten die Grünen aber bislang kategorisch abgelehnt.

Die grüne Bezirksbürgermeisterin sieht sich als Vorkämpferin einer großen Bewegung. Auch andere Kommunen in Deutschland verfolgten ähnliche Projekte zur Freigabe von Cannabis. Konkrete Anträge sind beim Bundesinstitut aber bislang nicht eingegangen.

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