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Das Aussichtsrad am Zoo gilt als gescheitert - der Fonds wird aufgelöst.

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Gescheitertes Projekt: Fürs Riesenrad wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren half die Berliner Politik den gescheiterten Investoren kräftig – nur die Grünen stellten kritische Fragen. Was Ulrich Zawatka-Gerlach damals schrieb.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Senat tut immer noch so, als wenn die hässliche Brache am Zoo, auf der ein Riesenrad gebaut werden sollte, reine Privatsache ist. Konkrete Überlegungen, was mit dem 2007 an die Great Berlin Wheel GmbH & Co. KG verkauften Filetgrundstück in der West-City geschehen könnte, gibt es nicht. Obwohl die Projektgesellschaft, wie berichtet, keinen Geldgeber findet und der Aussichtsrad-Fonds „Global View“ vor der Auflösung steht.

„Die Situation erfreut niemanden“, gibt Mathias Gille, Sprecher der Stadtentwicklungsverwaltung, zu. Wenn die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher aus dem Urlaub zurück sei, werde sie sich näher mit dem Thema befassen. Aber zunächst sei das Riesenrad „eine Angelegenheit, die Herrn Nußbaum betrifft“. Dem Finanzsenator sind allerdings die Hände gebunden. Denn im Kaufvertrag für die 12.850 Quadratmeter große Immobilie am Zoo steht, dass der Investor verpflichtet ist, „spätestens 36 Monate nach Besitzübergang ein Riesenrad gebrauchsfertig herzustellen“. Wenn das nicht geschieht, kann der Senat vom Grundstücksverkauf zurücktreten. Es gilt eine Nachfrist von neun Monaten. Das heißt, frühestens im August 2012 kann das Land Berlin wieder über den Grund und Boden verfügen.

Die Besitzübergabe erfolgte erst am 30. Oktober 2008, nach dem Abriss des alten Zoo-Wirtschaftshofes, der dem virtuellen Vergnügungsrad im Wege stand. Ein kleiner Trost: Der Rückkauf der Immobilie wäre für den Senat eine preiswerte Angelegenheit. Denn die Kosten des Neubaus eines Wirtschaftshofs für den Zoo (16,8 Millionen Euro) werden dann mit dem Kaufpreis (25 Millionen Euro) verrechnet. Berücksichtigt man, dass Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) das Grundstück weit über dem Verkehrswert (von maximal 15 Millionen Euro) an die vermeintlichen Riesenrad-Erbauer veräußerte, ist dem Land finanziell kein Schaden entstanden.

Konkrete Pläne für das Areal hat die rot-rote Koalition noch nicht. Als künftiger Nutzer ist die Technische Universität im Gespräch. Die beiden Geschäftsführer von Great Berlin Wheel geben sich selbst noch bis zum Jahresende Zeit, das Geld fürs Rad aufzutreiben. Sie leben nur noch auf Pump von einem Viermillionenkredit für den laufenden Betrieb, von dem nach Insider-Informationen höchstens noch 400.000 Euro übrig sind. Das reicht nicht mehr lange.

Auch politisch gesehen stand das Projekt von Anfang an unter einem schlechten Stern. Seit 2004 wurde diskutiert, wo das Aussichtsrad stehen sollte und wer es bauen darf. Favorit des Senats war damals ein Standort am Gleisdreieck, neben dem Technikmuseum. Dessen Direktor Dirk Böndel wehrte sich aber, unterstützt vom Kultursenator Thomas Flierl (Linke), heftig dagegen. Sein Museum sei keine Kirmes. Damals tauchte ein geheimnisvoller Mäzen aus England auf, der angeblich 5,5 Millionen Euro stiften wollte, damit das Technikmuseum auf dem potenziellen Riesenradgelände einen lange gewünschten Erweiterungsbau hinstellen konnte. Die Spende ward nie gesehen.

Weitere Pläne wurden erörtert. Der Schausteller Adolf Steiger wollte an der Heidestraße bauen, die Anschutz Entertainment Group liebäugelte mit einem Vergnügungsrad am Ostbahnhof, wo jetzt die O2-Arena steht. Doch schließlich entschied der Senat, den Great-Wheel-Leuten den Vorzug zu geben, obwohl die Firma schon 2004 ihr erfahrenes Führungspersonal im Zuge interner Querelen gegen unbekannte Jungmanager auswechselte.

Stets betonte der Senat, dass es sich um eine private Investition handele, und setzte gleichzeitig alle Hebel in Bewegung, um den Investoren den Weg zu ebnen. Der Bezirk Mitte legte einen aufwendigen Bebauungsplan vor. Der Senat legte eine städtebauliche Rahmenplanung vor, veränderte das Planwerk Innenstadt und erarbeitete ein Verkehrskonzept. Am ersten Spatenstich, bei dem es bis heute blieb, nahm der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) teil, nachdem er dem Projekt die Weihe der „gesamtstädtischen Bedeutung“ gegeben hatte. Das Abgeordnetenhaus segnete den Kaufvertrag ab. SPD und Linke, weitgehend unterstützt von CDU und FDP, trieben den Senat zur Eile an, denn es handele sich um ein Vorhaben von großer Bedeutung, um Tourismus und Wirtschaft weiterzuentwickeln.

Nur die Grünen fragten seit 2006 immer wieder, ob das 120 Millionen teure Investitionsvorhaben einen seriösen finanziellen Hintergrund habe. Sowohl Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) als auch der Finanzsenator versicherten jedes Mal, dies sei geprüft worden. Der Einblick, den die Radfinanziers gewährt hätten, habe kaum Fragen offen gelassen, sagte Sarrazin vor vier Jahren. Damals war sogar noch die Rede davon, dass der Investor auch die Verkehrserschließung am Zoo bezahlen müsse, aber das bleibt ihm ohne Riesenrad erspart.

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"

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