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Anton van Dyck malte den kaiserlichen Feldherren Wallenstein um 1630 (hier eine Kopie von 1823).

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Geschichten aus Berlins Geschichte: Das 17. Jahrhundert: Wallenstein ante portas

Der Dreißigjährige Krieg tobte nicht direkt in Berlin/Cölln, doch die Stadt war gut genug als leicht zu plündernde Vorratskammer. Oder als Station für zwei berühmte Figuren: den kaiserlichen Feldherrn und seinen schwedischen Gegenspieler Gustav Adolf.

Unmöglich, diese Berliner. Für den Krieg ganz ungeeignet. Nicht auszudenken, die englischen Landsknechte, die Ende Juni 1620 nahe der Stadt vorbeizogen, hätten angegriffen. Schon so richteten sie unter der Wache ein heilloses Durcheinander an, wie Kanzler Friedrich Pruckmann seinem Kurfürsten Georg Wilhelm schrieb: „Der eine schoss die Lunte mit hinweg, dem anderen entfiel der Ladestecken, dem dritten die Furchette, dem vierten versagte die Muskete zwei- bis dreimal, der fünfte steckte die Nase gar in die Ärmel, wenn er schießen wollte. Die dann losgeschossen hatten, konnten zu keiner Ladung wieder kommen, so voll waren sie.“

Nein, der Dreißigjährige Krieg war für Berlin und Cölln alles andere als eine heroische Zeit, vielmehr mittelmäßig im Guten wie im Schlechten. Zwar blieb beiden ein Schicksal wie Magdeburg erspart, bei dessen Zerstörung 1631 durch kaiserliche Truppen 20 000 Bürger massakriert wurden. Auch große Schlachten, eine heldenhafte Verteidigung gar, hat es hier nicht gegeben. Die Bürger hatten sich vielmehr stets heftig gesträubt, wenn sie für die eigene Sicherheit zahlen oder selbst zur Waffe greifen sollten, betrachteten sich als neutral, den Krieg als Sache der Fürsten. Aber an den Folgen hatten sie auch so schwer genug zu tragen. Galoppierende Inflation, Rückgang der Wirtschaft, dann Einquartierung mal eigener, mal fremder Truppen, je nach politisch-militärischer Lage, was kaum einen Unterschied machte. Immer wieder neue Steuern, erpresste Kontributionsforderungen erst von kaiserlicher, dann schwedischer Seite, Folge der schwankenden Bündnispolitik Georg Wilhelms. Als wäre das nicht genug an Leid, suchte wiederholt die Pest die Doppelstadt heim. So wurde 1631 mit 2066 Toten ein Viertel der Bevölkerung dahingerafft.

Wenngleich es Brandenburg und seinem Herrn an Größe mangelte, das Land und die Doppelstadt allenfalls als Durch- und Aufmarschgebiet und leicht zu plündernde Vorratskammer eine Rolle spielten, so haben doch die zwei berühmtesten Figuren des Krieges, der kaiserliche Feldherr Wallenstein und sein schwedischer Gegenspieler Gustav II. Adolf , wiederholt in Berlin/Cölln Station gemacht, keineswegs nur aus kriegerischen Gründen. Gustav Adolf jedenfalls hatte lediglich eine amouröse Eroberung im Sinn, als er im April 1620 mit kleinem Gefolge an die Spree reiste – inkognito als Adolf Karlsson, im Gefolge eines Pfalzgrafen. Nun gut, politische Erwägungen, in diesem Fall die Hoffnung auf eine Allianz mit Brandenburg, darf man bei Herrschern jener Zeit selbst in Liebesdingen stets unterstellen, zumal Gustav Adolf seine Herzdame Maria Eleonora, Schwester des Kurfürsten, nie gesehen hatte.

Fast fünf Jahre zogen sich die Hochzeitsverhandlungen schon hin, Kurfürst Johann Sigismund befürchtete Komplikationen mit Sachsen und Polen. Sein Tod Anfang 1620 bewog Gustaf Adolf offenbar, es ein letztes Mal zu versuchen, erst mit Kriegslist, dann im Sturm – ein „Abenteuer“, wie er selbst es nannte. Dazu ein bühnenreifes, hatte doch der Berlin-Besuch einiges von einem Lustspiel – mit Verkleidungen, heimlichen Blicken, Herzklopfen, vielleicht einem ersten Kuss, wie der Mitreisende Johan Hand im Tagebuch vermutete.

Das Inkognito konnte Gustav Adolf wahren, ein unwissender Hofstallmeister fragte ihn sogar nach seinem König aus. Doch die Kurfürstin war offenbar eingeweiht, wusste das hoffnungsvolle Paar geschickt zusammenzubringen. Auch die Prinzessin muss geahnt haben, wer hinter dem schwedischen Kavalier steckte, Johan Hand hat sie beobachtet: „Wo des Fräuleins Gedanken gewesen, weiß ich nicht, ihre Blicke waren jedenfalls unverwandt auf Seine Majestät gerichtet.“

Danach setzte Gustav Adolf seine Reise fort, um weitere potenzielle Bräute zu besichtigen und die Lage im deutschen Reich zu sondieren, für alle Fälle. Bei der Rückkehr kam er wieder durch Berlin – und kriegte endlich seine Prinzessin. Einiges Verhandlungsgeschick war noch nötig, erneute Heimlichkeiten, ein trauliches Treffen im Schlossgarten, Liebesversprechen, später offensives Bekanntmachen der Verlobung, als der Kurfürst mal wieder zögerte – ein letztes vergebliches Zappeln: Am 25. November 1620 wurde in Stockholm geheiratet.

Elf Jahre sollte es dauern, bis Gustav Adolf erneut in Berlin einzog. Der Krieg war in dieser Zeit nun doch nach Brandenburg gekommen, hatte die Hoffnung des Kurfürsten, sein Land neutral zu halten, zunichte gemacht. Kaiser Ferdinand II. zwang ihn 1627, einen Truppendurchmarsch zu akzeptieren, und Wallenstein gefiel das Land so gut, dass er dort gleich sein Winterlager aufschlug, mit Bernau als Hauptquartier. Zwar blieben Berlin und Cölln von direkten Kriegshandlungen verschont, mussten aber hohe Kontributionen zahlen und die fremden Truppen versorgen – Wallenstein samt Gefolge gleich mit: Mit 1500 Personen rückte er am 22. Juni 1628 in die Doppelstadt ein, eingeladen von der Kurfürstin, deren Gemahl im sicheren Königsberg weilte, wie so oft, wenn es ernst wurde. Besonders bei den Damen hinterließ Wallenstein einen guten Eindruck. „Der Herzog von Friedland ist gewiss ein feiner Herr, nicht so, wie ihn etliche Leute gemacht haben“, schrieb Prinzessin Anna Sophie ihrem kurfürstlichen Bruder. „Er ist gewiss sehr kourtoisch (höflich, d. Red.) und hat uns allen große Ehre erwiesen.“ Gezahlt werden musste trotzdem, auch nach Wallensteins zweiter Visite am 6./7. Februar 1630, als Brandenburgs Regierung erneut vergeblich um niedrigere Kontributionsforderungen bat.

Insgesamt aber blieben diese Kurzbesuche harmonisch, anders als der von Gustav Adolf am 13. Mai 1631. Ein knappes Jahr zuvor war Schweden in den Krieg eingetreten, nun stand der König vor Berlin, auf dem Weg in das von den Kaiserlichen bedrohte Magdeburg, drängte Georg Wilhelm zu einem Bündnis. Der hoffte noch auf gütliche Einigung, reiste samt kurfürstlicher Familie seinem Schwager nach Köpenick entgegen, lud ihn aufs Cöllner Schloss ein. Mit 1000 Mann rückte der „Löwe aus dem Norden“ an, ein höflicher, doch nachdrücklicher Verwandtenbesuch. Zweiwöchige harte Verhandlungen folgten, sie endeten mit einem Ultimatum Gustav Adolfs: Freund oder Feind! Georg Wilhelm, ohne kampfstarke Regimenter im Rücken, knickte ein. Am 1. Juni wurden Brandenburg und Schweden Verbündete.

Die schwersten Kriegsjahre standen der Doppelstadt da erst bevor – und Gustav Adolf erwartete der Tod bei Lützen am 16. November 1632. Noch einmal sollte er Berlin nahekommen: Am 20. Dezember machte der Zug, der dem Leichnam das Geleit gab, in Spandau halt. Auch Maria Eleonora, die dem Gemahl nachgereist war, traf dort ein. Als Braut hatte sie Brandenburg das erste Mal verlassen, als Witwe kehrte sie zurück.

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