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Berlin: Geschlagen und zu Tode gequält – die Qualen des kleinen Yannick

Vor Gericht begann der Mordprozess gegen die Mutter des Jungen und ihren Partner

Die Anklage ist ein Protokoll des Grauens. Weil der dreijährige Yannick nicht schnell genug beim Anziehen war, setzte es Faustschläge. Weil er sich nicht gut genug ausdrücken konnte, wurde er brutal gebissen. Weil er nicht essen wollte, wurde er in eine Wanne mit kaltem Wasser gesetzt. Seine Mutter und ihr neuer Lebensgefährte schlugen laut Anklage mit Boxhandschuhen auf ihn ein. „Mal sehen, ob ich es schaffe, dich K.O. zu schlagen“, soll der angehende Pädagoge P. dabei gerufen haben.

Yannick hat die sadistischen Erziehungsmethoden nicht überlebt. Nach zwanzigtägigem Martyrium starb er am 30. Januar dieses Jahres. Seit gestern müssen sich seine Mutter Anja W. und ihr damaliger Lebensgefährte wegen schwerer Misshandlungen und gemeinschaftlichen Mordes vor dem Berliner Landgericht verantworten. Die 28-jährige Frau mit blondem Pferdeschwanz hörte die Anklage mit gesenktem Kopf. Der 19-jährige Mathias P. wirkte unbewegt. Wie ein harmloser Schüler saß er da. Die welligen Haare ordentlich gekämmt, weiche Gesichtszüge, helles Hemd. Er war Student der Berufsfachschule für Sozialpädagogik im dritten Semester. Als das Gericht auf Antrag seiner Verteidigerin die Öffentlichkeit ausschloss, lächelte er. Wie ein Sieger.

Der kleine Yannick sei den beiden Angeklagten „seit geraumer Zeit lästig geworden“, heißt es in der Anklage. Er habe ihrer Beziehung „im Weg gestanden“. Anja W. lebte lange allein mit ihren drei Söhnen. Yannick war der Jüngste. Im Herbst vergangenen Jahres lernte die Mutter Mathias P. kennen. Er absolvierte gerade ein Praktikum in der Kita ihrer Kinder. Er zog zu ihr nach Köpenick. Er fühlte sich berufen, in ihre Erziehungsmethoden einzugreifen. Es traf Yannick, weil der Kleine nicht seinen Vorstellungen entsprochen haben soll. Mathias P. soll zunehmend aggressiver geworden sein. Anja W. ließ ihn gewähren. Bei der Polizei soll sie erklärt haben: „Ich wollte Mathias nicht verlieren.“

Nachdem sie Yannick mit den Boxhandschuhen gefoltert hatten, lief er tagelang nur noch schwankend durch die Wohnung. Seine Brüder, fünf und sieben Jahre alt, durften schon längst nicht mehr mit ihm spielen. Mathias P. soll ihm einen Schlafplatz im kalten Flur zugewiesen haben. In der Nacht zum 30. Januar hustete der Junge. Mathias P. soll wütend geworden sein. Laut Anklage schleuderte er Yannick mit dem Kopf gegen einen Schrank. Die Mutter und ihr Lebensgefährte riefen keinen Arzt. „Sie wollten den wimmernden Jungen seinem Schicksal überlassen“, heißt es in der Anklage. Blutungen im Kopf des Kindes führten am Vormittag zum Atemstillstand. Yannick, dessen Körper von Blutergüssen übersät war, starb um 19.55 Uhr im Unfallkrankenhaus in Marzahn.

Die Angeklagten sollen den Verdacht zunächst auf den leiblichen Vater des Kindes gelenkt haben. Dann aber kam es zu gegenseitigen Belastungen. Mathias P. soll die tödliche Attacke bestritten und erklärt haben, man habe sich bei den Rohheiten „gegenseitig animiert“. Anja W. sei „zu locker“ gewesen, sie habe ihn „in seinen pädagogischen Absichten nicht genügend unterstützt“. Der Staatsanwalt sagte, der Fall sei in seiner bisherigen Tätigkeit das „Widerwärtigste und Abscheulichste“. Ähnliches sagte ein anderer Staatsanwalt im noch laufenden Prozess gegen eine Mutter, die ihren zweijährigen Sohn verhungern ließ.

Kerstin Gehrke

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