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Geschlossene Einrichtung: Senat will Heim für kriminelle Kinder noch vor der Wahl

Berlin soll ein geschlossenes Heim bekommen. Die Einrichtung soll kriminelle Kinder und Jugendliche auch vor ihren Eltern schützen. In Lichtenrade hat unterdessen eine stationäre Wohngruppe für Problemschüler eröffnet.

Kriminelle Kinder und Jugendliche sollen ab August in einer neuen, geschlossenen Einrichtung untergebracht werden können. Damit bekäme Berlin ein geschlossenes Heim. Es soll fünf bis sechs Plätze haben. Bildungs- und Jugendsenator Jürgen Zöllner ließ am Freitag mitteilen, das Projekt befinde sich im „Mitzeichnungsverfahren“ und müsse noch im Senat beraten werden. Als Träger ist das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk vorgesehen. Die Adresse des Heimes soll nicht öffentlich bekannt gegeben werden – auch um Eltern mit kriminellen Ambitionen davon abzuhalten, ihre Kinder nach der Festnahme durch die Polizei wieder zu sich zu holen.

In Zöllners Verwaltung läuft das Vorhaben unter dem sperrigen Begriff „Krisenangebot mit der Möglichkeit zu freiheitsentziehenden Maßnahmen“. Gedacht ist es für Kinder und Jugendliche, die kriminell geworden sind und bei ihren Eltern keinen Rückhalt finden oder von diesen sogar zu kriminellen Taten herangezogen werden. Im vergangenen Sommer hatten junge Rauschgifthändler in Berlin eine neue Diskussion über geschlossene Heime provoziert und die Gegner solcher Heime in der rot-roten Koalition zum Umdenken gebracht. Die sogenannten „Kinderdealer“ hatten bei mehreren Festnahmen behauptet, noch keine 14 Jahre alt zu sein. Nach kurzer Zeit flohen sie dann aus den Jugendhilfeeinrichtungen, in die sie von der Polizei gebracht worden waren.

Kinder mit kriminellen Neigungen waren bis dahin in Heimen in Brandenburg untergebracht worden – „geschlossene Heime“ galten in der SPD und der Linken als altmodisch und pädagogisch überholt. Dabei gibt es in anderen Städten Unterbringungsmöglichkeiten für gefährdete Kinder, in denen der Entzug der Freiheit dosiert erfolgt und dem Schutz der Kinder vor kriminellen Kontakten dient.

Das Projekt, zu dem sich die Koalition nun durchgerungen hat, sieht dann auch „freiheitsentziehende Maßnahmen“ etwa für Kinder vor, die sonst bei nächster Gelegenheit aus der Einrichtung fliehen würden. Das sollen, so sieht es das Konzept vor, die Polizisten einschätzen, die das – mutmaßlich strafunmündige – Kind aufgegriffen haben. Formell entscheiden müssen dann Mitarbeiter des Jugendnotdienstes oder der Jugendämter. Im Anschluss soll ein Familiengericht die Entscheidung überprüfen. Im Heim kann das Alter des Kindes oder Jugendlichen genau bestimmt werden – im vergangenen Sommer hatten sich die festgenommenen und angeblich minderjährigen Dealer durchaus als strafmündig erwiesen.

Die medizinischen Altersgutachten der vermeintlichen Kinder hatten sich aber über Monate verzögert und so die Debatte über geschlossene Heime erst ins Rollen gebracht. Inzwischen haben Polizei und Justiz aus den Erfahrungen des letzten Jahres gelernt. In der vergangenen Woche dauerte die Altersbestimmung einer vermeintlich unter 14-jährigen Einbrecherin gar nur zwei Tage. Das in Wirklichkeit viel ältere Mädchen wurde dem Haftrichter vorgeführt. Ganz so schnell wird es in Zukunft aber nicht immer gehen, erklärt Justizsprecher Michael Kanert. Zielsetzung sei eine Altersbestimmung innerhalb eines Monats.

Tatsächlich strafunmündige Kinder, die gefährdet sind, eine kriminelle Karriere einzuschlagen, werden derzeit in Berlin in offenen „stationären Wohngruppen“ aufgenommen. Aufgrund des hohen Bedarfs hat am Freitag nun eine weitere Einrichtung dieser Art in Lichtenrade eröffnet. „Das Haus auf dem Hügel“ ist nicht geschlossen, bietet aber eine 24-Stunden-Betreuung. Maximal acht Kinder zwischen sechs und acht Jahren sollen hier betreut und beschult werden. Ziel sei es, die Kinder wieder in die Gesellschaft und ihre Familien zu integrieren, sagt der Geschäftsführer des Trägers Tannenhof. Pro Kind und Monat kostet ein Platz in einer solchen Wohngruppe den Bezirk etwa 4800 Euro.

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