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Berlin: Geschützt wie ein Reaktor

Nicht nur Tiere freuen sich über Löcher im Friedhofszaun – auch Diebe. Nachdem in Stahnsdorf viel gestohlen wurde, soll die Sicherheit erhöht werden.

Stahnsdorf - Sie haben die wertvollen Kupferplatten vom Dach gerissen, alte Regenrinnen gestohlen und selbst vor historischen Grabinschriften, Reliefs, Mausoleen und Kunstwerken keinen Halt gemacht. Seit Metalldiebe den Stahnsdorfer Südwestkirchhof für sich entdeckt haben, ist die Totenruhe dahin. Um die Grabmäler zu schützen, hat Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeldt jetzt zu Spenden aufgerufen. Ein 630 000 Euro teurer Sicherheitszaun soll die Schätze schützen.

Ausgestattet mit sensiblen Sensoren soll die zwei Meter hohe Stabmattenanlage Alarm schlagen, wenn sich Einbrecher wieder am Zaun mit Bolzenschneidern zu schaffen machen sollten oder versuchen, über ihn hinwegzusteigen. Das Angebot stammt von einer Berliner Firma, die unter anderem auch schon den Forschungsreaktor im Berliner Ortsteil Wannsee eingezäunt hat und für den Schutz des G-8-Gipfels in Deutschland zuständig war. Zur Ansicht wurden bereits zwei große Zaunfelder am Haupteingang des 104 Jahre alten Friedhofs in der Bahnhofstraße aufgestellt, auf dem Berühmtheiten wie Werner von Siemens oder Heinrich Zille begraben liegen.

„Mit dem Zaun wollen wir unsere kunsthistorischen Werte schützen“, sagte Ihlefeldt. Einziges Problem: Das Geld für die vier Kilometer lange Anlage rund um den 206 Hektar großen Friedhof hat der Verwalter nicht. „Der Friedhof kann aus der eigenen Tasche leider keinen Cent dazugeben.“ In der Hoffnung auf Spenden will sich Ihlefeldt deshalb jetzt an private Geldgeber wenden – vor allem an Prominente, die einen persönlichen Bezug zu der Anlage haben. So sind auf dem Südwestkirchhof auch die Verleger Louis-Ferdinand Ullstein oder Gustav Langenscheidt begraben, auch der Vater des Architekten und Bauhaus-Gründers Walter Gropius wurde hier bestattet. „Wir überlegen jetzt, welche Familien und Nachfahren wir überzeugend ansprechen können.“

Wie nötig ein solcher Sicherheitszaun ist, macht ein Spaziergang über den Friedhof deutlich. Bereits zehn Mal haben die Plünderer in diesem Jahr zugeschlagen. Der Stahnsdorfer Friedhof ist nicht alleine betroffen, auch dem Evangelischen Waldfriedhof in Kleinmachnow statteten die Kupferdiebe schon einen Besuch ab. Kupferdächer, kunstvolle Kupferporträts und bronzene Grabinschriften nahmen die Diebe mit. Bei ihren Beutezügen in Stahnsdorf beschädigten sie Mausoleen. Die prunkvoll verzierten Grabstätten stehen im Wald nahezu unbeobachtet.

Erst ein gestohlenes Kupferporträt des Bildhauers Reinhold Felderhoff ist inzwischen wieder aufgetaucht, sagt Ihlefeldt. Ein Rentner aus Süddeutschland hatte es auf einem Trödelmarkt erworben und wollte es auf einer Kunstauktionsbörse im Internet weiterverkaufen. Dort fiel das Kunstwerk auf. Auf dem Kirchhof hängt nun eine Kopie des Porträts, das Original wird an einem sicheren Ort verwahrt.

Dass gestohlene Porträts, Inschriften oder Dachteile wiedergefunden werden, sei die Ausnahme. Die Friedhofsverwaltung bleibe fast immer auf dem Schaden sitzen, da es für viele der betroffenen Grabstellen keine Nachfahren mehr gibt. Nur notdürftig hat man die Grabstellen mit Plastikfolie geschützt. Ein Friedhof, besonders bei der Größe des Südwestkirchhofs, sei nachts kaum ohne moderne Sicherheitstechnik zu schützen, so Ihlefeldt. In den vergangenen Wochen hielten sich die Diebe zum Glück vom Friedhof fern. Das könne an den regelmäßigen Polizeikontrollen liegen oder daran, dass nicht mehr viel zu holen sei.

Die Schäden schmerzen den Kunstliebhaber. Ein neuer Zaun wäre also vonnöten. Der 1991 aufgestellte Maschendrahtzaun ist an vielen Stellen löchrig, kann von Hand heruntergedrückt werden und ist auch für die Tiere ein gefundenes Fressen. Wildschweine und Rehe kommen immer wieder gern auf das Gelände, um am frischen Grabschmuck zu knabbern. Auch das soll der neue Zaun verhindern.

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