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Berlin: Gesichter der Courage

Eine Ausstellung zur „Roten Kapelle“ in Mitte.

Knutschende, an Bäume und Hauswände gelehnte Liebespaare rund um den Kudamm erregen in der schönen Maiennacht des Jahres 1942 kaum Aufmerksamkeit. Erst hunderte von Klebezetteln, die später an den Tatorten dieser Zärtlichkeit ins Auge fallen, alarmieren den Sicherheitsapparat. „Ständige Ausstellung Das NAZI PARADIES Krieg Hunger Lüge Gestapo Wie lange noch?“ steht da zu lesen – eine Antwort auf die eben im Lustgarten eröffnete Propaganda-Schau „Das Sowjetparadies“. Die Aktivisten dieser Aufklärungs-Aktion gehören zu dem Netzwerk „Rote Kapelle“, das – entstanden aus einem sich ab 1935 formierenden Freundeskreis um den Offizier Harro Schulze-Boysen und den Wirtschaftswissenschaftler Arvid Harnack – Anfang der 40er Jahre sieben Berliner Widerstandsgruppen verbindet: 140 Angestellte, Arbeiter, Soldaten, Unternehmer, Künstler, Ärzte, Intellektuelle, Christen, Kommunisten, Sozialdemokraten.

Sie helfen Verfolgten, verbreiten kritische Aufsätze und Flugschriften, kontaktieren andere Gruppen, Zwangsarbeiter, alliierte Diplomaten, diskutieren eine Nachkriegsordnung. Nachdem ein Adressen enthaltender Funkspruch Ende August 1942 entschlüsselt worden ist, folgen Verhaftungen, Prozesse. 76 Todesurteile, 65 vollstreckt, fünf Selbstmorde in der Haft, fünf Liquidationen ohne Verfahren, 50 Zuchthausstrafen. Die ersten elf Tötungen durch Strang und Fallbeil fanden Ende 1942 in Plötzensee statt. Die Exekution einer zweiten Gruppe von 13 Männern und Frauen folgt dort, im Dreiminutentakt, am 13. Mai 1943.

Am 70. Jahrestag dieser Hinrichtung wurde nun im Foyer der Senatsverwaltung für Bildung (Mitte) unter Anwesenheit von Angehörigen der Ermordeten eine Ausstellung eröffnet. Der im Gefängnis geborene Hans Coppi, dessen Eltern in Plötzensee ermordet wurden, hat die Ausstellungs-Banner konzipiert, für ihre Foto-Dokumenten-Collagen Texte geschrieben. Der Historiker hofft, dass hier beim näheren Hinsehen der „idealtypische Widerstandskämpfer“ verschwinde: dass Individuen erkennbar werden.

Tatsächlich beeindrucken die abgebildeten Porträts – offene Gesichter. Männer und Frauen, die man gern sehr persönlich fragen würde, was sie dazu gebracht hat, für eine „Sache“, die über Privatinteresse hinausgeht, das eigene Leben einzusetzen. Thomas Lackmann

Die Ausstellung „Widerstand und Zivilcourage – auf den Spuren der ,Roten Kapelle‘“, bis 31.5. in der Senatsverwaltung für Bildung, Bernhard-Weiss-Str. 6 (Mitte), kann bei der Gedenkstätte Deutscher Widerstand kostenlos ausgeliehen werden.

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