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Berlin: Gesund, aber nicht munter

Niederlassungsstopps für Ärzte, Pflegeprobleme und die Charité: Welche Konfliktthemen die Medizinbranche auch im neuen Jahr beschäftigen.

Es war ein ereignisreiches Jahr für die Gesundheitsbranche. Und es bleibt aufregend für Ärzte, Schwestern, Pfleger und andere Mitarbeiter von Berliner Kliniken und Praxen. Die wichtigsten gesundheitspolitischen Streitpunkte im Überblick.

KLINIKEN

Im kommenden Jahr wird sich zeigen, ob die Kliniken mit dem von Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) ausgehandelten Geld zurechtkommen. Vorweg: unwahrscheinlich! Die Krankenhausinvestitionen werden Dauerstreitthema bleiben. Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass die Krankenkassen für Medikamente, Energie und Personal aufkommen. Doch die Kassen beschweren sich, dass ihr Geld auch in die Sanierung und Technik der Kliniken gesteckt werde – was eigentlich Landesaufgabe ist. Allein die landeseigenen Vivantes-Kliniken bräuchten für ihre maroden Häuser 80 Millionen Euro im Jahr – mehr als alle Krankenhäuser zusammen vom Senat bekommen (mit Ausnahme der Charité). Czaja betont, immerhin werde es mehr Geld geben: 2013 kamen rund 60 Millionen Euro in den Häusern an, 2014 sollen es 70 Millionen, 2015 rund 80 Millionen sein. Die Berliner Krankenhausgesellschaft hatte 137 Millionen Euro pro Jahr gefordert. Die Summe stünde den Kliniken zu, wenn sie so gefördert würden, wie die Krankenhäuser anderer Bundesländer im Durchschnitt. Noch 2014 plant Czaja einen Kunstgriff, der zur Folge haben wird, dass sich die Kliniken nicht mehr direkt an ihn wenden: Er möchte Pauschalförderungen einführen. Bislang stellen die Kliniken einen Antrag: Tomograf veraltet? Begründung bitte! Nicht alle Kliniken haben dabei Geld abbekommen. Gibt es künftig eine Pauschale, dürfte dies den Klinikleitern egal sein, die schon viel Geld bekommen haben – und diejenigen ärgern, die bislang zurückgesteckt haben und endlich auf mehr hofften.

PFLEGE

Ebenfalls schon 2013 hatte Czaja etwas angestoßen, das im kommenden Jahr viel Aufsehen erregen könnte. Als eines der ersten Bundesländer könnte Berlin eine Pflegekammer bekommen. Der Gesundheitssenator hat kürzlich zu einer Tagung geladen, auf der debattiert wurde, wie eine Befragung von Schwestern und Pflegern aussehen könnte: Denn Czaja will sich ein Bild von der Stimmung in der Branche machen, bevor er eine Kammer gründen lässt. Viele fürchten die zusätzliche Bürokratie. Der Arbeitgeberverband Pflege und namhafte Betriebsräte in den Kliniken sind dagegen, der Landespflegerat und der Berufsverband DBfK dafür. Um eine Pflegekammer zu gründen, muss Czaja darlegen, warum bestehende Behörden und Verbände nicht ausreichen. Eine Kammer bekommt quasi staatliche Befugnisse für Ausbildung- und Ethikfragen. Dafür müssen ihr dann alle Berufsangehörige beitreten, wie dies auch bei Ärzten und Architekten der Fall ist. Ob das Abgeordnetenhaus einem Kammergesetz zustimmen wird, ist ungewiss. Beim Koalitionspartner SPD ist man wie bei der Linken mehrheitlich dagegen, die Grünen sind vorsichtig dafür. Viel gewonnen wäre schon, wenn es Czaja gelänge, durch die Debatte das Problem der Pflegenden in den Fokus zu rücken. Der Senator plant außerdem eine Kampagne für mehr Auszubildende, denn Schwestern und Pfleger fehlen. Viele Altenheime suchen Fachpersonal.

PRAXEN

Sie waren die Überraschung dieses Jahres und könnten 2014 massenhaft die Gerichte beschäftigen: die neuen Niederlassungsregeln. Weil sich Ärzte bislang seltener im Osten der Stadt und in Neukölln niedergelassen haben als etwa in Charlottenburg und Zehlendorf, hatte Senator Czaja viel Druck auf Mediziner und Krankenkassen erzeugt. Daraufhin haben die zuständige Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenversicherungen beschlossen, dass Ärzte mit ihrer Praxis künftig nicht mehr in einen besser versorgten Bezirk umziehen können. Wer aus Neukölln nach Zehlendorf ziehen will, bekommt dafür keine Zulassung mehr. Bei Haus- und Kinderärzten legt die Kassenärztliche Vereinigung nun außerdem Sozialkriterien an, diese Mediziner sollen nur noch dort eine Praxis eröffnen können, wo die Anwohner wegen Armut, Bildung und Alter dringender Ärzte brauchen. Die Anwendung dieser Sozialindikatoren ist bundesweit neu. Und schon haben einzelne Ärzte angekündigt, gegen die Niederlassungsbeschränkungen zu klagen. Im kommenden Jahr dürfte in Berlin über die ersten Klagen entschieden werden.

CHARITÉ

Auch 2014 wird man sich in der Charité fragen: Woher sollen wir eigentlich das Geld nehmen? In der größten Universitätsklinik Europas gibt es ganz wörtlich viele Baustellen: Zunächst ist da die Sanierung des Campus in Mitte samt dem Wahrzeichen der Klinik, dem Bettenturm. In diesem Jahr noch wurden die dafür genehmigten Mittel um 17,5 Millionen auf 202,5 Millionen Euro aufgestockt. Dafür erwarten Senat und Opposition, dass nun alles nach Plan läuft. Allerdings muss die Charité-Leitung auch ihre Standorte in Steglitz und Wedding sanieren. Und gleichzeitig hat schon in diesem Jahr begonnen, was 2014 in die entscheidende Phase geht: die Tarifverhandlungen mit den rund 5000 Schwestern und Pflegern. Die Gewerkschaft Verdi fordert mehr Pflegekräfte während der Schichten. Deren Arbeitsbelastung ist hoch, Hunderttausende Überstunden wurden angehäuft. Inzwischen signalisiert die Klinikleitung, dass sie sich auf eine bessere Besetzung einlassen könnte. Das bedeutet, die Charité stellt entweder mehr Schwestern an, was mehr kostet. Oder aber sie baut mehr Betten ab, wodurch das dafür sonst eingenommene Geld der Krankenkassen verloren ginge. Erst kürzlich hatte die Ärztegewerkschaft Marburger Bund 2,8 Prozent mehr Gehalt für die fast 2500 Charité-Mediziner ausgehandelt. Hannes Heine

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