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Berlin: Gesunde Ernährung als Unterrichtsfach in der Schule?

Pro Ja, ja und noch mal ja. Schließlich sollen wir in der Schule für das Leben lernen.

Von Sandra Dassler

Pro Ja, ja und noch mal ja. Schließlich sollen wir in der Schule für das Leben lernen. Und das Thema Ernährung begleitet einen Menschen nun einmal ein Leben lang. Ob er als Teenager Pickel vermeiden kann, in dem er weniger Salz isst; ob er mit Rohkost-Tagen sein Gewicht reduzieren kann – solche Fragen können in gewissen Lebensabschnitten existenzielle Dimensionen annehmen.

Sie sind jedenfalls ungleich wichtiger als die Beschäftigung mit Dingen, die man nie im Leben wieder braucht. Oder sind Sie nach der Schule jemals gefragt worden, wie sich eine rational gebrochene Funktion im Unendlichen verhält? Wenn Sie nicht gerade Naturwissenschaftler sind oder es prickelnd finden, das Volumen ihres Frühstückseis zu berechnen, ist diese Frage ziemlich irrelevant.

Dabei wäre es doch wichtiger, zu wissen, wie viele Kalorien und welchen Cholesteringehalt ein Frühstücksei hat. Oder was der Unterschied zwischen Eiern aus Freiland-, Boden- und Käfighaltung ist – und warum Bioeier besser sind. Oder ob Eierlikör schon zu den Alcopops gehört.

Natürlich soll man Mathematik nicht abschaffen, mindestens bis zur Prozentrechnung geht es ja dabei auch um lebensnotwendige Kenntnisse. Aber ein Unterrichtsfach „Ernährung“ wäre eine tolle Ergänzung. Eigentlich müsste man noch weitergehen und das Fach: „Gesunde Lebensführung“ nennen.

Da könnte dann sinnvollerweise auch im Lehrplan stehen, wie man mit Drogen umgeht. Oder mit Kondomen. Alles wichtiger als gebrochene rationale Funktionen im Unendlichen.

Contra Die Kinder sind zu dick. Also brauchen wir ein Schulfach „Ernährung“. Die Kinder sehen zu viel fern. Also brauchen wir ein Fach „Freizeitgestaltung“. Die Kinder schlagen sich zu viel. Also brauchen wir ein Fach „Antigewalttraining“. Die Kinder können sich nicht benehmen. Her mit dem Benimmfach! Her mit: Ökologie! Gartenbau! Yoga! Ach, was man nicht alles lernen kann!

Nur leider hat der Schultag nicht mehr als sechs oder acht Stunden. Also muss man Prioritäten setzen, und Priorität muss haben, was sich nicht so nebenbei lernen lässt: Sprachen, Erdkunde, Mathematik, Naturwissenschaften.

Alles was hinzukommt, geht auf Kosten dieses Kanons: Das hat man gemerkt, als wegen der Einführung des Faches Ethik plötzlich bei Erdkunde und Musik gestrichen wurde. Aber selbst wenn es auf dem Stundenplan ein freies Plätzchen gäbe, sollte man es nicht mit „Ernährung“ füllen. Denn das ABC des gesunden Essens kennt ohnehin jeder, weil es von der „Sesamstraße“ bis zum Biologieunterricht unendlich viele Gelegenheiten gibt, davon zu erfahren. Allerdings nutzt dieses Wissen wenig, wenn die Eltern ihren Kindern Süßigkeiten mitgeben, oder wenn sie zu Hause nur Pommes oder Nudeln auf den Tisch stellen. Das Wirksamste, was man für die bessere Ernährung tun kann, ist die Einflussnahme auf die Eltern. Auf dem Elternabend sollte die Qualität des Pausenbrotes thematisiert werden. Und schließlich ist es den Ganztagsschulen unbenommen, einen gesund kochenden Caterer zu suchen oder eine Koch- und Ernährungs- AG anzubieten. Susanne Vieth-Entus

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