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Amerikanisches Rindfleisch - darauf setzt Michael Zehdorn in seinem Restaurant "Wilsons".

© dpa

Gesunde Ernährung in Berlin: Woher kommt die neue Fleischlust?

Trotz des blühenden veganen Lifestyles in Berlin wird Fleisch immer mehr Genusssache. Das Angebot reicht vom Prime Beef Xata Roxa über T-Bone bis zum Entrecôte vom deutschen Elberind. Doch wie gesund ist der Fleischverzehr? Ein Rundgang.

Während vor allem viele jüngere Menschen aus Gründen der Empathie und Allergie Vegetarier oder gar Veganer werden, wächst bei den anderen erst recht die Lust am Fleischgenuss. Nur exklusiv muss er sein. Die Zeiten, da es bei der Bestellung eines Steaks ausreichte, sich auf „rare“, „medium“ oder „well done“ zu verständigen, sind so weit entfernt wie jene frühen Jahre, als man in vielen Berliner Restaurants die Weinorder noch mit einem schlichten „rot“ oder „weiß“ spezifizierte. Wer Genießer werden will, so scheint es, muss erst mal eine Fachsprache lernen.

Als der Kaffee seine Karriere als Kultgetränk begann, paukten urbane Trendsetter plötzlich Wortfolgen wie „Venti Latte low-fat“. „Tasse oder Kännchen“, das war mal. Auch der moderne Wo die Ahnen ihren Schokoladenappetit noch mit den Sorten "Vollmilch" oder "Zartbitter" deckten, muss der modernen Schokoholic muss präzise wissen, wie viel Prozent Kakao die Schokolade denn haben darf und ob sie lieber mit Chili oder mit rotem Pfeffer gewürzt sein soll. Und nun also Fleisch. Woher kommt die neue Fleischlust? Durch die Krise, sagt Michael Zehden, der das „Wilsons“ in der Nürnberger Straße 65 in Schöneberg betreibt. „Die Leute wollen für ihr Geld ein ehrliches Stück Fleisch auf dem Teller haben.“ Seit zweieinhalb Jahren merkt er, wie der Zulauf stetig steigt. Die Gründe für den fleischvollen Lebenswandel sind denen der Veganer gar nicht so unähnlich. Beef Tatar zum Beispiel wird, anders als viele glauben, gern von Frauen bestellt. Denn, zumindest wenn man das rohe Fleisch mit Ei anmacht und auf die Brotunterlage verzichtet, enthält das keine Kohlenhydrate und soll somit dünn machen.

Matthias Martens betreibt das "Filetstück" in Prenzlauer Berg.
Matthias Martens betreibt das "Filetstück" in Prenzlauer Berg.

© Doris Spiekermann-Klaas

Das allerdings ist nur eine Seite der Geschichte, Ernährungsberater raten von zu viel Fleischkonsum ab. Zwei bis drei Mal in der Woche, mehr sollte es nicht sein, sonst steige die Gefahr für Herzkreislauferkrankungen. Michael Zehden setzt inzwischen ganz auf amerikanisches Rindfleisch. Er ist selbst viel in den USA unterwegs und will sein Lieblingsessen auch hier vermehrt verbreiten. „Die Tiere werden mit Mais gefüttert, da ist das Fleisch dann stärker marmoriert“, sagt er. Spezialität ist die Hochrippe, Prime Rib, die mehr als neun Stunden bei 56 Grad gegart wird, so dass der Saft erhalten bleibt. Vor den Augen des Gastes wird das Fleisch in feine Scheiben geschnitten und mit Sauce béarnaise und Gemüse angerichtet.

René Leßmann und Annabell Block vom "Wilsons" sind auch privat Fleischliebhaber.
René Leßmann und Annabell Block vom "Wilsons" sind auch privat Fleischliebhaber.

© Doris Spiekermann-Klaas

Das hat natürlich seinen Preis. Billigmetzger mit ihrem grausam gezüchteten Fleisch aus Massentierhaltung kommen in der Vorstellungswelt eines Gourmets, der bereit ist, in Spezialitätenrestaurants wie dem Grill Royal zum Teil mehr als 100 Euro für ein Stück Fleisch hinzulegen, vermutlich gar nicht vor. Jedes Restaurant, das etwas auf sich hält, setzt Steaks in verschiedenster Form auf die Speisekarte. Selbst in einem Promirestaurant wie dem „Grosz“ am Kurfürstendamm hat der Gast bereits die Wahl zwischen spanischem „Prime Beef Xata Roxa“, T-Bone „US Nature Dry Aged“, Entrecôte vom deutschen Elberind, oder – für die Frauen – handgeschnittenem Tatar vom Rinderfilet.

Jüngster Hit bei den Fleischfeinschmeckern ist eine exklusive Schweinezüchtung holländischer Landwirte, sagt Interconti-Küchendirektor Alf Wagenzink. Aufgepäppelt werden die Tiere von Mönchen in einem Kloster. Dort bekommen sie nur zu essen, was gerade angebaut wird. Bei so tugendhaften Tieren könnten sich ja etliche Menschen noch ein ökologisches Beispiel nehmen. Die Qualität von Braten und Schinken treibt Gourmets freilich zur Verzückung – hinterlässt aber auch und ein tiefes Loch im Geldbeutel.

Im Kreuzberger „Brooklyn Beef Club“ können passionierte Fleischfresser gut den Macho raushängen lassen und ein 900 Gramm schweres XL-T-Bone-Steak verschlingen, das für ein bis zwei Personen angeboten wird. Zum Runterspülen warten 150 Sorten Whisky. Von den größten Spinnern, wie er sie nennt, sei der Markt glücklicherweise inzwischen bereinigt, sagt Matthias Martens. Er betreibt das einschlägig spezialisierte Restaurant „Filetstück“ in der Uhlandstraße und bedient dort ein eher gediegenes Publikum. Wagyu vom Koberind für 200 Euro lässt sich nach seiner Erfahrung dennoch eher weniger gut verkaufen. „Bio, Herkunft und Lagerung sind für unsere Köche wichtig“, sagt er. Sein Fleisch bezieht er aus Irland, Schottland und von einem kleinen Erzeuger in Nordrhein-Westfalen. Martens freut sich, dass auch die jungen, innovativen Besucher im Stammhaus in der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg von Qualitätsbewusstsein getrieben sind. Aus der Sicht des Bayern, der früher Restaurantleiter im VAU war und lange Jahre als Steward auf dem Traumschiff gearbeitet hat, ist Fleisch ein „Gutes-Gewissen-Essen“. Allerdings ist Fleischerzeugung extrem umweltschädlich. Andererseits gehört es inzwischen zum Lifestyle, über Entrecôte und T-Bone mitreden zu können.

Uwe Depping ist eine Art Star auf dem Ökomarkt am Hansaplatz – mit Hirschen, Hühnern, Bratwürsten und Braten vom Apfelschwein. „Die Leute vertrauen ihm, er lädt sie auch schon mal auf seinen Hof ein“, sagt Marktleiterin Brigitta Voigt. Und Vertrauen sei beim Fleischkauf das wichtigste.

Lesen Sie hier den Rundgang zum veganen Lifestyle in Berlin.

Wilsons, Nürnberger Str. 65, Schöneberg, www.restaurant-wilsons.de;

Brooklyn Beef Club, Köpenicker Straße 92, Mitte, www.brooklynbeefclub.com;

Filetstück, Uhlandstraße 156, Wilmersdorf, www.filetstueck-berlin.de

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