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Gesundheit: Schweinegrippe auf dem Rückzug: Die Praxen sind trotzdem voll

Die Gefahr der Schweinegrippe scheint gebannt, dafür nehmen bei Kindern die Erkältungskrankheiten stark zu. Impfstoff für 90 000 Euro musste bereits entsorgt werden.

Von Fatina Keilani

Nur 15 Minuten nach Praxisöffnung hatte der Kinderarzt Peter Hauber in Steglitz am Sonnabend 41 kranke Kinder im Wartezimmer sitzen. „Wir haben eine neue Grippewelle“, sagte Hauber dem Tagesspiegel. „Schon am vergangenen Wochenende haben wir 300 Kinder behandelt.“ Hauber ist einer der wenigen Berliner Kinderärzte, die samstags und sonntags Sprechstunde haben – und wird dann entsprechend belagert.

Ob bei „Grippewelle“ von normaler Erkältung oder von der Schweinegrippe die Rede ist, lässt sich nicht mehr so genau trennen, da bei den Patienten kaum noch Abstriche genommen werden. Die Diagramme des Robert-Koch-Instituts (RKI) im Internet bestätigen Haubers Aussagen zunächst: Speziell bei Kindern von null bis vier Jahren stieg die Zahl der Arztbesuche wegen Atemwegserkrankungen seit Jahresbeginn von 3000 auf 8000 pro 100 000 Einwohner. Eine so steil nach oben zeigende Kurve führt bei Eltern schnell zu Besorgnis. Im Gespräch mit dem Robert-Koch-Institut relativiert sich das Bild jedoch etwas. „Die Meldedaten zur Schweinegrippe gehen weiter deutlich nach unten, die Positivenrate sinkt“, sagte RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher.

Die meisten Patienten haben demnach andere Infekte – zum Beispiel Bronchitis oder Lungenentzündung. Das Institut aktualisiert wöchentlich seine Statistiken im Internet und stellt ebenfalls wöchentlich einen Bericht über die Entwicklung der Schweinegrippe ein.

Insgesamt ist der Umgang mit der Schweinegrippe gelassener geworden. Es hat sich herumgesprochen, dass sie meist harmlos verläuft. Dennoch erhalten sowohl das Robert-Koch-Institut als auch die Gesundheitsverwaltung ihre Impfempfehlung aufrecht. „Bei früheren pandemischen Geschehen gab es oft mehrere Wellen“, so Glasmacher. „Wir können eine weitere Welle nicht ausschließen.“ Auch Regina Kneiding aus der Gesundheitsverwaltung betont, der Senat halte an der Impfempfehlung fest: „Wir sehen zwar keine neue Welle, aber die kann noch kommen, denn die Saison ist in vollem Gang.“

Für jede Impfdosis, die nicht verbraucht wird, muss das Land Berlin aufkommen. Eine Million Dosen wurden gekauft; zusätzlich lagern 370 000 Dosen beim Hersteller, die jetzt anderweitig abgegeben werden sollen. „Falls wir sie nicht loswerden, muss das Land diese Impfdosen auch noch bezahlen“, so Kneiding. Welche Kosten dies am Ende verursachen könnte, sei noch nicht abzuschätzen. Nach Aussage der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Grippewelle bei uns weitgehend vorbei; das Virus ist jetzt noch in Osteuropa, Ostasien und neuerdings auch Afrika aktiv.

Bis Ende des vergangenen Jahres ließen sich nach Angaben der Gesundheitsverwaltung 127 575 Berliner gegen die Schweinegrippe impfen. Geliefert wurden 245 930 Impfdosen; mehr als 100 000 lagern noch in den Arztpraxen. Schon 10 717 Impfdosen mussten weggeworfen werden, weil sie angebrochen und nicht aufgebraucht wurden – eine Packung reicht für zehn Impfungen. Dafür muss Berlin fast 90 000 Euro zahlen.

Kinderarzt Hauber sieht sich am Wochenende allein an der Front – und genau das beklagt er. Berlin sorge nicht für eine anständige Versorgung mit Kinderärzten, meint er. Deswegen seien die Rettungsstellen so überlaufen, dass es regelmäßig zu stundenlangen Wartezeiten komme. Weder die Kassenärztliche Vereinigung noch der Senat interessierten sich für das Problem. Der Senat weist das zurück. „Wenn ein Kind am Wochenende in Not ist, wird es selbstverständlich ärztlich versorgt, und zwar schnell“, sagt die Sprecherin der Gesundheitsverwaltung, Regina Kneiding. „Wir wissen, dass es an Sonntagen problematisch sein kann. Viele gehen aber auch sonntags in die Rettungsstellen, obwohl sie bis Montag warten könnten.“

In den Erste-Hilfe-Stellen der Krankenhäuser war auch am Sonnabend wieder großer Andrang. Wartezeiten bis drei Stunden meldete der kinderärztliche Bereitschaftsdienst am DRK-Klinikum Westend. Am Klinikum Neukölln, das die größte Rettungsstelle der Stadt hat, sah es etwas besser aus: „Bei uns ist es heute nicht extrem voll“, sagte Michael Emeis, Oberarzt an der Kinderklinik. Der Grundsatzkritik von Kinderarzt Hauber widerspricht er aber nicht: „Die KV-Versorgung ist am Wochenende nicht so gut wie in der Woche, und das müssen wir als Kliniken dann ausgleichen.“ Fatina Keilani

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