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Berlin: „Gesundheit!“

Die großen Bösen des Herbstes heißen Jiangso oder New Caledonia. Es sind Grippe-Stämme. Was sie so gefährlich macht. Und warum ein Berliner Institut Erreger aus ganz Deutschland sammelt

Grippe – nur eine schlimme Erkältung?

Grippe ist mehr als nur eine schlimme Erkältung. Außer Symptomen wie Husten, Schnupfen und Heiserkeit haben „grippale Infekte“ mit der echten Grippe, der Influenza, nichts gemein. Deren Viren gehören einer ganz anderen, viel aggressiveren Familie an, den so genannten OrthomyxoViren. Sie rufen eine schwere Atemwegsinfektion hervor, an der man sterben kann. Während der drei weltweiten Grippe-Epidemien (Experten nennen sie Pandemien) des vergangenen Jahrhunderts starben Millionen Menschen, zum Beispiel 1918/19, als die „Spanische Grippe“ ausbrach, aber auch Ende der 50er und Ende der 60er Jahre. Einige Experten halten es für wahrscheinlich, dass in einer der nächsten Grippezeiten eine neue Pandemie bevorsteht, weil sie alle zwölf bis 40 Jahre auftreten – und die letzte schon über 30 zurückliegt.

Wie die Viren aussehen

Grippeviren sind etwa 100 Nanometer klein, kugelig und haben „Spikes“: Tentakeln stehen von der Hülle empor. Das sind Eiweiße. Die Hämagglutinin-Tentakeln sind dafür da, an Lungenzellen anzudocken – in ihnen vermehren sich die Grippeviren. Die Neuramidase-Tentakeln braucht das Virus, um sich von der Zelle wieder zu lösen.

Was im Körper passiert

Mit Grippe steckt man sich per Tröpfcheninfektion an, wenn man angehustet oder angeniest wird, beispielsweise. Die Erreger greifen Lungenzellen an und lösen so in den Atemwegen Schwellungen und Entzündungen der Schleimhaut aus, letztendlich sterben die Zellen. Gefährlich daran ist, dass lokale Abwehrmechanismen stark geschwächt werden, so dass sich Bakterien leichter ansiedeln können, die dann Folgeerkrankungen wie Bronchitis oder Lungenentzündung hervorrufen.

Warum eine Epidemie in Deutschland gefährlich wäre – und was Vogelgrippe mit Menschen zu tun hat

Trotz des medizinischen Fortschritts haben selbst die Industrieländer die Grippe immer noch nicht im Griff, denn Grippeviren haben die unangenehme Eigenschaft, ihr Erbgut sehr schnell verändern zu können – manchmal sehen sie sogar am Ende eines einzigen Winters schon anders aus als am Anfang. Deshalb gibt es das eine Allheilmittel nicht. Impfstoffe müssen jedes Jahr neu erfunden werden.

Normalerweise sterben pro Grippesaison allein in Deutschland 5000 bis 8000 Menschen – letzte Saison waren es 16 000 – aber noch immer lassen sich viel zu wenige impfen. Bei einer Pandemie könnten sogar bis zu 175 000 Menschen sterben, 20 bis 25 Millionen würden krank, sagte kürzlich der Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes. Insgesamt bräuchten laut Ärztezeitung rund 27 Millionen Risikopatienten in Deutschland eine Grippeimpfung. Aber vergangenes Jahr waren 40 Prozent der besonders Gefährdeten ungeschützt geblieben.

Experten fürchten, dass sich die zurzeit in Südostasien grassierenden Vogelviren mit Influenzaviren vom Menschen rekombinieren und neue hochansteckende Varianten entstehen. Denn: Das Erbgut von Grippeviren liegt immer in Bruchstücken vor, so dass sie sich untereinander austauschen können, sobald sie sich in einer Zelle begegenen. Wenn eine Zelle also gleichzeitig mit einem Grippe-Virus vom Menschen und vom Vogel infiziert wird, können die beiden zu einem völlig neuen Typ verschmelzen – man spricht dann von einem „Antigensprung“.

Weil Schweine sowohl von Influenza-Viren des Vogels als auch des Menschen infiziert werden können, findet eine solche Durchmischung meist im Schwein statt. Pandemie-Viren haben ihren Ursprung häufig in Asien, wo Menschen, Geflügel und Schweine auf engem Raum zusammenleben. 1997 hatte sich in Hongkong allerdings gezeigt, dass Vogelviren nicht immer das Schwein als Zwischenwirt brauchen, um auch den Menschen zu befallen und sterbenskrank zu machen.

Warum die Weltgesundheitsorganisation und ein Berliner Institut zusammenarbeiten

Bei der Weltgesundheits-Behörde laufen alljährlich die Fäden zusammen. Bis zur großen Influenza-Konferenz Ende Januar oder Anfang Februar haben fast alle Staaten der Welt Hinweise auf neue Varianten gesammelt. Das geschieht in so genannten Referenzzentren – in Deutschland am Robert Koch Institut in Berlin. Dorthin werden jedes Jahr ab September pro Woche rund 50 Abstriche von Grippepatienten aus ganz Deutschland geschickt. Anhand der gesammelten Daten wird bei der WHO schließlich vorausgesagt, welche Viren sich in der kommenden Grippesaison auf Nord- beziehungsweise Südhalbkugel der Erde durchsetzen werden. Und die verwenden die Impfstoffhersteller dann zur Produktion.

In diesem Jahr heißen die Stämme Jiangso (2003 entdeckt in China), New Caledonia (1999 entdeckt auf einer Insel zwischen Australien und den Fidschis) und A Wyoming (2003 entdeckt, nun ja, in Wyoming).

Wer sich impfen lassen sollte und wann

Impfen lassen sollte man sich zwischen September und Dezember. Gereinigte und inaktive Virenbestandteile werden in den Oberarm injiziert. Nach sieben bis 14 Tagen ist der Schutz wirksam, zu 60 bis 80 Prozent.

Wo man sich impfen lassen kann und was es kostet

Impfungen gegen die Grippe macht jeder Hausarzt. Und die Krankenkassen bezahlen sie. rcf

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