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Berlin: Gesundheitsreform: Patienten sparen an der Reha

Nachbehandlung kostet pro Tag zehn Euro Zuzahlung, deshalb gehen manche nicht hin. Die Kassen erwägen ein Bonusprogramm

Die Ärzteschaft sieht sich in ihren Befürchtungen bestätigt: Nach einem Monat Gesundheitsreform klagen Mediziner und Gesundheitsmanager über sich merklich leerende Wartezimmer. Viele Patienten könnten sich die Praxisgebühren und höheren Zuzahlungen nicht leisten und verzichteten deshalb auf notwendige Behandlungen, heißt es. Und auch die Krankenkassen sind beunruhigt, weniger über die zurückgehenden Arztbesuche als vielmehr über den Trend, auf eine Rehabilitation im Anschluss auf eine medizinische Behandlung zu verzichten. So registrierte das Zentrum für ambulante Rehabilitation (ZAR) in Mitte im Januar fünf Patienten, die eine Reha, die ihnen verschrieben wurde, nicht angetreten haben. Das sind zehn Prozent der Kranken, die das ZAR monatlich im Auftrag der Krankenkassen betreut. Begründung: Die Nachbehandlung sei zu teuer.

Tatsächlich kann die Zuzahlungsregel eine erhebliche Belastung sein. Gesetzlich Versicherte zahlen pro Reha-Therapietag zehn Euro, und das maximal für 28 Tage – wie beim stationären Aufenthalt im Krankenhaus. Schließt sich die Rehabilitation an eine Klinikbehandlung an, werden die dort bereits geleisteten Zuzahlungen angerechnet. Orthopädie-Patienten werden im Schnitt 16 Tage in der ambulanten Reha behandelt, Neurologie-Patienten 25 Tage. „Deshalb sind diese besonders von den Zuzahlungen betroffen“, sagt Ursula Mootz, Geschäftsführerin des ZAR: Sie zahlen bis zu 250 Euro, und im Gegensatz zum Klinikaufenthalt sparen sie nichts an den Lebenshaltungskosten.

Das ZAR betreute 2003 rund 2400 Patienten, davon 660, deren Behandlung von einer gesetzlichen Krankenkasse bezahlt wurde. „Wir sind der größte Anbieter in Berlin“, sagt Mootz. In der Stadt gibt es 17 derartige Einrichtungen. Für Reha-Maßnahmen, die von Rentenversicherungsträgern bezahlt werden, müssen die Patienten laut Mootz keine Zuzahlung leisten.

Die Krankenkassen sehen den Rückgang bei den Rehapatienten mit Besorgnis. „Wenn sich dieser Trend bestätigt, dann müssen wir reagieren“, sagt der Chef des Berliner Ersatzkassenverbandes, Karl-Heinz Resch. Zu den Ersatzkassen gehören unter anderem die Barmer, die Techniker-Krankenkasse und die Deutsche Angestelltenkrankenkasse. Denn die Kassen-Chefs wissen, dass die Folgekosten einer nicht auskurierten Erkrankung wesentlich höher werden können als die Kostenerstattung für eine Reha-Behandlung. Eine mögliche Lösung wäre es, die Belastungen der Versicherten durch spezielle Bonusprogramme abzumildern, sagt Resch.

Auch die niedergelassenen Ärzte in Berlin haben im Januar einen Patienten-Rückgang registriert. Allerdings habe es im Vormonat einen außergewöhnlichen Ansturm auf die Praxen gegeben, meint Wolfgang Kreischer, Chef des Hausärzteverbandes Berlin-Brandenburg. „Viele kamen im Dezember, um sich zum Beispiel noch Medikamente verschreiben zu lassen, bevor die höheren Zuzahlungen in Kraft traten.“ Für eine Prognose, ob es tatsächlich dauerhaft weniger Patienten sein werden, sei es daher noch zu früh.

Kreischer klagt, dass ein Arzt für seine Patienten „erpressbar“ geworden sei. Er meint damit die Regelung für chronisch Kranke, die statt zwei nur maximal ein Prozent ihres Jahresbruttoeinkommens für Zuzahlungen aufwenden müssen. „Der Arzt muss nun entscheiden, ob jemand ein Chroniker ist.“ Manche Patienten, die zum Beispiel wegen eines leichten Asthmas oder eines geringen Bluthochdrucks regelmäßig zum Doktor müssten, könnten jetzt ungerechtfertigt die Anerkennung als Chroniker fordern – oder damit drohen, den Mediziner zu wechseln. Und könnten damit sogar Erfolg haben, denn der Konkurrenzdruck sei in Berlin mit seiner hohen Arztdichte besonders hart.

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