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Auch Polizisten sind Gewalt ausgesetzt, nun beginnt ein Prozess gegen drei Demonstranten, die Polizisten mit einer Kugelbombe angegriffen haben sollen.

© DPA

Gewalt gegen Polizisten: Prozessbeginn nach Kugelbombe auf Berliner Polizeibeamte

14 Beamte wurden bei einer Detonation während einer Demo verletzt. Nach vier Jahren begann der Prozess gegen die drei mutmaßlichen Täter. Politiker warnen vor einer möglichen Zunahme von Gewalttaten der linken Szene.

Es knallte gewaltig. Ein Böller, der noch lauter war als andere, eine Kugelbombe detonierte auf der Torstraße. Dicker, weißer Rauch stieg auf. Stefan S. ging zu Boden. Er spürte einen brennenden Schmerz im Oberschenkel. Der Polizist trug Vollschutz. Doch Splitter hatten sich hindurchgebohrt. „Die Druckwelle war enorm, alle waren geschockt“, sagte der 39-Jährige als Zeuge vor Gericht.

14 Polizisten wurden verletzt, als es bei der Demonstration gegen Sparpläne der Bundesregierung zum brandgefährlichen Anschlag kam. Aus Sicht der Ermittler war es versuchter Mord. Die mutmaßlichen Täter wurden nur Stunden später abgeführt. Doch sie kamen aufgrund einer damals unsicheren Beweislage bald wieder frei. Mehr als vier Jahre vergingen bis zum Beginn des Prozesses gegen die 25- bis 37-jährigen Männer. Geständnisse sind nicht zu erwarten. Ein Anwalt nannte die Anklage „politisch motiviert“.

Sie waren aus Sicht der Staatsanwaltschaft dabei, als 20 000 Menschen am 12. Juni 2010 unter dem Motto „Die Krise heißt Kapitalismus“ durch die Innenstadt zogen: Johannes E., Steven D. und Sven H. Die Anklage wirft ihnen vor, sie hätten bei dem Protest gegen Hartz VI gezielt Beamte angreifen wollen. Zunächst sollen sie drei „Polenböller“ geworfen haben.

Es flogen Steine, Flaschen, Böller

Um 14.08 Uhr habe einer von ihnen die Bombe gezündet, „während die anderen Angeklagten neben ihm standen und die Aktion in gemeinsamer Vorfreude auf die Detonation und Verletzungswirkungen beobachteten“, so die Anklage. Das Trio habe in Kauf genommen, dass „eine unbestimmte Anzahl von Personen schwere Wunden erleiden und daran versterben könnte“.

Die Ausschreitungen hatten mehr und mehr zugenommen. Erst seien es verbale Attacken gewesen, dann flogen Steine, Flaschen, Böller, beschrieb S. nun vor dem Gericht. Er war mit Begleitschutz gekommen, er ist auch Nebenkläger, er leidet bis heute unter der Erinnerung. Mehr als 16 Jahre sei er auf der Straße im Einsatz gewesen. „Aber das war für alle unfassbar“, sagte der Beamte.

Er und seine Kollegen waren gerade dabei, die Helme aufzusetzen, als es knallte – eine Kugelbombe der Marke „White Lotus“, hergestellt vermutlich in China und in der Regel in Polen illegal vertrieben. Sie explodierte am Boden. Das war unter dem Strich Glück für die Opfer, sind sich die Experten einig. Extrem gepresste Pappsplitter verursachten tiefe Wunden an Beinen, tagelang litten Beamte unter Hörproblemen, Taubheitsgefühlen. Stefan S. wurde von zwei Splittern getroffen und musste operiert werden.

"Ungeheuerlicher Vorgang der Brutalität"

Von einem „ungeheuerlichen Vorgang der Brutalität“ sprach der damalige Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Andere Politiker warnten vor einer möglichen Zunahme von Gewalttaten der linken Szene. Die Veranstalter der Demonstration distanzierten sich sofort von Randale und dem hinterhältigen Anschlag.

Die drei Angeklagten saßen nun schweigend im Saal 500 des Kriminalgerichts. Sie sind keine vorbestraften Gewalttäter. Aber in ihren Wohnungen fanden die Ermittler jede Menge Feuerwerkskörper, bei einem der Verdächtigen wohl auch mehrere Kugelbomben. Zeugen für den Wurf in Richtung der Gruppe von Polizisten soll es allerdings nicht geben. Bis heute sind die Verdächtigen auf freiem Fuß. Andere Prozesse – so genannte Haftsachen – wurden als vorrangig vorgezogen. Das Gericht hat die Verhandlung bis Ende November terminiert.

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