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Abkühlung nötig? 70 Personen haben bei Berlins Bäderbetrieben Hausverbot. Seit vier Jahren helfen Konfliktlotsen von "Bleib cool am Pool" im Columbiabad Neukölln dabei, kleinere Streitigkeiten friedlich zu lösen.

© Rainer Jensen/ picture alliance / dpa

Gewalt in Berlin: Freibadschläger bleiben häufig ohne Strafe

Strafen nach Gewalttaten im Freibad? Fehlanzeige. Die meisten Verfahren gegen Schläger werden wieder eingestellt. Das liegt manchmal am Alter der Täter – und oft an der Angst von Zeugen vor einer Aussage.

Mit den Temperaturen steigt bei manchen Besuchern der Freibäder auch der Testosteronspiegel. Immer wieder gibt es Rangeleien vor allem unter jüngeren männlichen Badegästen. Vor zwei Wochen rückte wegen einer Massenschlägerei rund um den Sprungturm mal wieder die Polizei im Neuköllner Columbiabad an, die Anlage wurde vorübergehend geschlossen.

Den Vorfall nahmen Bäderbetriebe und Polizei zum Anlass einer neuen Lagebeurteilung. Ergebnis: Die Zahl der privaten Sicherheitskräfte wurde weiter erhöht, wie der Sprecher der Bäderbetriebe, Matthias Oloew, sagte.

Immer wieder werden einzelne zu Opfern brutaler Gewalt, ohne dass dies für die Täter nennenswerte Folgen hat. Vor gut einem Jahr zum Beispiel traf es einen 14-Jährigen. Die Angreifer traten auch noch zu, als ihr Opfer am Boden lag. Zusammengekauert auf der Wiese lag der Jugendliche, er hatte keine Chance. Seine Angreifer waren zwar auch nicht viel älter als er, aber es waren zwölf. Und zwei von ihnen schrieen: „Wir stechen dich ab.“ Einer von ihnen hatte ein Messer in der Hand.

Erst mehrere Polizisten beendeten die Attacke im Sommerbad am Ankogelweg in Mariendorf. Und dabei wurden die Beamten von den Jugendlichen auch noch attackiert. Die Polizei protokollierte: „Drei Tatverdächtige werden aufgrund polizeilicher Vorkenntnisse und wiederholter Begehung von Straftaten erkennungsdienstlich behandelt.“

Das war im Mai 2014. Die Polizei schrieb Anzeigen, die landeten bei der Staatsanwaltschaft. Ergebnis: Die juristische Behandlung des Falls Ankogelweg hatte bald ein Ende. Alle Verfahren wurden eingestellt. Die Prügler erhielten Hausverbot, das schon, aber strafrechtlich passierte nichts.

Nach einer Prügelei haben die Zeugen Angst

Das passt ins Bild. Nahezu immer enden Strafanzeigen wegen Vergehen im Freibad mit dem Schließen der Akte und dem Hinweis: Einstellung. Die Bäderbetriebe haben im vergangenen Jahr 85 Anzeigen gestellt, davon 45 wegen Graffitischäden, den Rest wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs, Einbruchs. Ausnahmslos alle Verfahren wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Diese Statistik teilt Bäderbetriebe-Sprecher Matthias Oloew mit. Anzeigen wegen Körperverletzung sind da nicht mitgerechnet, die werden in der Regel von der Polizei oder von Privatpersonen gestellt.

Die Gründe für die ernüchternde Bilanz lauten immer gleich: Entweder waren die Vergehen zu nichtig, die Angezeigten noch nicht strafmündig oder es konnte niemand einer bestimmten Straftat zugeordnet werden. Denn in der Praxis läuft die Strafverfolgung komplizierter, als man sich das als unbedarfter Beobachter vorstellt. In der Regel gibt es zwar genügend Zeugen für Straftaten, gerade bei Prügeleien. Aber das ist bloß Statistik.

„Das Problem“, sagt ein Sprecher der Polizei, „beginnt schon damit, dass wir erst nach einem Vorfall an den Tatort kommen.“ Und dann ist es mit der Zahl der Zeugen so eine Sache. Entweder sind sie und die Täter längst irgendwo in der Menge abgetaucht. Und damit nicht mehr aufzufinden. Oder, viel größeres Problem, sie sind zwar noch greifbar, die Zeugen aber hüten sich, irgendetwas auszusagen, vor allem nach einer Prügelei, bei der eine ganze Gruppe zugeschlagen hat. Ihre Angst, dass sie das nächste Opfer werden, ist viel zu groß.

70 Personen haben Hausverbot bei Berlins Bädern

Selbst ein langjähriger Polizist sagte dem Tagesspiegel: „Ich würde mich hüten, etwas auszusagen, wenn ich privat so etwas erlebte.“ Denn als Zeuge muss er seine Anschrift angeben. Die aber landet dann in den Akten. Diese Akten sehen auch die Verteidiger der mutmaßlichen Prügler. „Ich weiß doch nicht, ob plötzlich einer dieser Typen bei mir dann abends vor der Haustür steht oder mein Kind angreift“, sagt der Polizist.

Im Fall des Bads am Ankogelweg hatte die Polizei allerdings die Personen mit den Messern gesehen. Die hatten ja sogar noch die Beamten angegriffen, es wäre also leicht gewesen, die Täter zu identifizieren. Weshalb auch hier die Verfahren eingestellt wurden, konnte Martin Steltner, der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, nicht sagen. Oft genug sind die Angreifer aber noch nicht einmal strafmündig, dann kann ihnen außer Hausverbot sowieso nichts passieren.

Nachdem im vergangenen Jahr Dutzende Jugendliche mal den Sprungturm des Columbiabads besetzt hatten, sprachen die Bäderbetriebe 29 Hausverbote aus. Die sind bis heute gültig. Insgesamt haben aktuell rund 70 Personen Hausverbot. Allerdings weist Bäder-Sprecher Oloew auch daraufhin, dass in den Berliner Bädern im Jahr rund 5,8 Millionen Menschen auftauchen. Die Hausverbotsquote sei also denkbar gering.

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