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Berlin: Gewaltige Aufgabe

Berlins ranghöchste Polizistin: Ursula Falkenstern führt seit kurzem im Landeskriminalamt eine Abteilung mit 600 Mitarbeitern

Ihre Leute jagen Menschen, die nichts dabei empfinden, sechs Personen in einen Autokofferaum zu pferchen, um sie nach Berlin zu schleusen – wo sie womöglich tot ankommen. Sie verfolgen Zuhälter, die Frauen zum Anschaffen in Berliner Bordellen zwingen. Obwohl sie es täglich mit Gewalt und Verbrechen zu tun hat, wirkt Ursula Falkenstern erstaunlich freundlich. Die zierliche Frau ist seit kurzem die ranghöchste Kriminalpolizistin Berlins und leitet die Abteilung 2 des Landeskriminalamts.

Die Leitende Kriminaldirektorin wirkt so diszipliniert und uneitel, dass man das Wort Leidenschaft im Blick auf ihre Karriere kaum verwenden mag. Aber etwas in dieser Art hat aus der Polizistin Jahrgang 1955 eine Karrierefrau gemacht. Dass sie jetzt so weit oben steht in der Polizei-Hierarchie, hätte sie wohl selbst nicht erwartet, als sie 1975 Polizistin wurde. Sie hat den Job auf den Wachen, auf den Berliner Straßen, vom Streifenwagen aus gelernt. Sie kann mit einem Wort begründen, warum sie Polizistin geworden ist: Wegen der „Gerechtigkeit“.

So nah an ihrem Ideal von Polizeiarbeit wie am Anfang sei sie nie mehr gewesen, sagt Ursula Falkenstern. Inzwischen macht sie ihren Beruf nicht mehr in ständiger Begleitung einer Dienstwaffe. Sie hat noch immer vor allem mit Menschen zu tun, doch sind es weniger Kriminelle als Polizisten. Sie kennt die größeren Ermittlungsvorhaben ihrer Mitarbeiter. Doch wenn man sie zum Beispiel danach fragt, was es denn Neues gibt von der organisierten Kriminalität, wie die berüchtigten arabischen Großfamilien der Stadt sie betreiben, dann wird ihr Lächeln noch freundlicher und ihre resolute Art, keine Antwort zu geben, noch resoluter.

Jetzt also führt sie alles in allem 600 Mitarbeiter der Abteilung 2 und ist dafür verantwortlich, dass die Kräfte dieser Organisation sinnvoll eingesetzt werden. Das hat, zumal im Gefüge der Berliner Polizei, viel mit zwischenmenschlichen Qualitäten und einiges mit Politik zu tun. Sie muss in der Abteilung 2 und im Hinblick auf bestimmte Verbrechen durchsetzen, was die Berliner Polizei sich vorgenommen hat. Über den Rauschgifthandel etwa sagt die Kriminaldirektorin lakonisch: „Wir verknappen den Markt etwas.“

Ein zentrales Aufgabengebiet ist momentan alles, was mit Menschenhandel zu tun hat. Die einschlägigen Vorschriften des Strafgesetzbuches sind neu gefasst. Zuständig ist die Polizei nicht nur wie bisher dafür, wie Frauen zur Arbeit in Bordellen gepresst werden. Nun ist es auch Sache der Polizei, den „Menschenhandel zur Ausbeutung der Arbeitskraft“ auf Baustellen zu entdecken und zu unterbinden. Die Rechtsnovelle hat dazu geführt, dass die Organisatoren ins Visier der Fahnder gerückt sind. Gejagt werden jene Leute, die Bauarbeiter zu minimalen Stundenlöhnen so geschickt und abwechslungsreich über die Baustellen verteilen, dass die möglichst lange sklavenhaft schuften können, bis sie irgendwann hochgenommen und abgeschoben werden. Trauriger sind, was diesen Straf- und Lebenstatbestand anbelangt, nur noch die Schicksale der Frauen aus der Ukraine und anderen Ländern, die Abend für Abend auf alten Sofas in billigen Puffs darauf warten, dass ein Mann für sie bezahlt.

Gerechtigkeit ist in dem Zusammenhang ein großes Wort und ein hoher Anspruch. Bei Ursula Falkenstern kann die Gerechtigkeit sich auf Beharrlichkeit und Disziplin verlassen. Vor vielen Jahren hatte sie mit Gewalt gegen Frauen und Kinder zu tun, als Fachfrau für den polizeilichen Umgang mit häuslicher Gewalt. Es folgte ein Verwaltungsjob im Präsidium, bei dem sie sich mit der Logistik befasste und einiges darüber lernte, wie „die Politik“ in die Polizei hineinwirkt. Zum Glück hat sie einen Mann, der auch Polizist ist – und Verständnis hat für eine Frau, deren Karriere ihr immer mehr Arbeit eingetragen hat.

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