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Umstritten. Stadtentwicklungssenator und SPD-Chef Michael Müller.

© Davids

Gezielte Schikane: Berlins SPD-Chef Müller wird Opfer nächtlicher Anschläge

Seit zwei Wochen attackieren Unbekannte das Privathaus des Berliner SPD-Chefs Michael Müller. In seinem Umfeld wird vermutet, dass der Kampf um die künftige Parteiführung der Hintergrund ist.

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Eierwürfe, Farbbeutel, Klingelstreiche – Stadtentwicklungssenator und SPD-Chef Michael Müller ist seit etwa zwei Wochen das Opfer nächtlicher Anschläge. Sowohl in der Verwaltung als auch in der SPD wird vermutet, dass Parteimitglieder hinter den Attacken stehen. Der zeitliche Zusammenhang mit dem aktuellen Streit um Müller sei eindeutig, hieß es. Wie berichtet, will Müller im Juni wieder für den Landesvorsitz kandidieren, linke SPD-Mitglieder machen sich für einen Gegenkandidatur stark.

„In der Partei wird an allen Fronten gekämpft“, hieß es in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung doppeldeutig. Ein SPD-Abgeordneter sagte: „Das ist denkbar in meiner Partei.“ Er hält „zwei, maximal drei Durchgeknallte“ verantwortlich für die Taten. In den Parteigremien seien die Anschläge noch nicht thematisiert worden, aber informell rede man schon darüber. Die Polizei ist von Müller bislang nicht eingeschaltet worden.

Linksextremisten scheinen als Urheber auszuscheiden. Die Person Müller wird in der autonomen Szene nicht thematisiert, auch Bekennerschreiben oder Drohungen wurden nicht veröffentlicht. Und nächtliches Dauerklingeln gehört nicht zum klassischen Repertoire von Autonomen. Müller wohnt in einem Altbaumietshaus in Tempelhof, nahe dem Polizeipräsidium.

Unklar ist bislang, ob es einen Zusammenhang mit dem Einbruch in Müllers Verwaltung gibt. Wie berichtet, waren Unbekannte in der Nacht zu Donnerstag in das Hochhaus an der Württembergischen Straße eingedrungen und hatten Laptops und andere Wertgegenstände gestohlen. Offen ist bislang, was für Dokumente in den Computern gespeichert waren. Nach Polizeiangaben wurden in der 14. Etage, in der der Senator sitzt, mehrere Büros durchwühlt. Wie die Einbrecher ins Haus kamen, sei rätselhaft, hieß es, es gab keine Einbruchsspuren. Eine unbekannte Flüssigkeit, die der oder die Täter in einem Büro verschütteten, wird derzeit noch von der Kriminaltechnik analysiert.

Sollte der Psychoterror gegen Müller tatsächlich mit den bevorstehenden Wahlen zur künftigen Parteiführung zu tun haben, wäre damit eine neue Eskalationsstufe in einer seit Wochen zunehmend aufgeheizten parteiinternen Auseinandersetzung erreicht. Erst vergangene Woche hatte Müller, der die Berliner SPD seit fast acht Jahren führt und seit vergangenem Dezember auch Senator ist, seine parteiinternen Kritiker attackiert und angekündigt, den Parteivorsitz gegen Herausforderer zu verteidigen.

Die wiederum werfen ihm vor, er schade der Partei. Viele der sich mehrheitlich als links verstehenden Berliner Sozialdemokraten sind unzufrieden mit seinem Führungsstil. Sie werfen Müller vor, zu oft im kleinen Kreis zu entscheiden. Der Parteichef gilt als enger Vertrauter des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD).

Kurz vor Ostern hatte Müller im Gespräch mit dem Tagesspiegel bekräftigt, er halte trotz des zunehmenden Gegenwindes aus der SPD seine Kandidatur auf dem Wahlparteitag im Juni aufrecht. Dort wird möglicherweise auch der Parteilinke Jan Stöß, Vorsitzender des Bezirksverbands Friedrichshain-Kreuzberg, für den Vorsitz kandidieren. Teile der SPD-Linken befürchten, dass die Sozialdemokraten in der Koalition mit der CDU an Profil verlieren, wenn ein Senator an der Parteispitze steht. Müller und seine Unterstützer sehen die Gefahr, dass eine nach links rückende SPD an Unterstützung bei Wählern verlieren könnte.

Verschärft wurden die Flügelkämpfe in den vergangenen Wochen auch durch die Auseinandersetzungen von Müllers Nachfolger als SPD-Fraktionschef, Raed Saleh, mit dem Senat. Müller hatte dieses Amt nach der Ernennung zum Senator nach fast zehn Jahren aufgegeben. Seitdem fahren Saleh und seine Unterstützer von der Parteilinken einen senatskritischen Kurs, der Müller und seine Kollegen in der Landesregierung unter Druck setzt.

Dass Parteifreunde zu Mitteln des Psychoterrors greifen, ist in Berlin nicht ganz neu. So gab es vor knapp drei Jahren in der CDU eine Reihe von Drohanrufen, die möglicherweise in Zusammenhang mit Personalstreitigkeiten im Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf standen. Zuvor war Ex-Kreischef Ingo Schmitt von einem Parteimitglied mit Eiern beworfen worden. Der Täter, hieß es damals bei der CDU, sei „nur ein verwirrtes Mitglied“.

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