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Berlin: Gift in der Salatwürze

Frührentner wegen Erpressungsversuchs vor Gericht

Nicht um das große Geld ging es in den Erpresserschreiben, die vor einem Jahr umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen in einer Berliner Behindertenwerkstatt auslösten. „Seit einiger Zeit vergiften wir die Tüten von Salat-Fix“, hieß es in den Drohbriefen. „Wir fordern höhere Entgelte für unsere Arbeit und bessere Arbeitsbedingungen.“ Unterzeichnet waren die Schreiben mit „Gesellschaft für Gerechtigkeit am Arbeitsplatz“. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft aber handelte es sich dabei nicht etwa um eine giftig gewordene Gruppe. Für die Aktion soll einzig und allein Frührentner Lothar F. verantwortlich sein.

Das allerdings sieht der 57-jährige Reinickendorfer ganz anders. „Ich habe nichts mit der Sache zu tun“, beteuerte er gestern vor dem Amtsgericht Tiergarten. Zwar hatten die Ermittler auf der Festplatte seines Computers Teile der Erpresserschreiben gefunden. Für Lothar F. aber ist das kein Beweis. Es sei möglich, dass ein Hacker per Internet dieses Beweismaterial hinterlassen habe. Ehemalige Kollegen könnten das gewesen sein. „Ich habe Feinde“, meinte der wegen versuchter räuberischer Erpressung Angeklagte. Dass er in der Firma tatsächlich nicht gerade zu den Beliebtesten gehörte, bestätigte der Betriebsleiter. „Er ist etwas Besseres, und er fühlt sich auch als etwas Besseres.“

Dahinter steckt eine lange, traurige Geschichte. Lothar F. ist ein studierter Mann. Als Ingenieur für Hochfrequenztechnik verdiente er gutes Geld. Bis er Mitte der 70er- Jahre Opfer eines brutalen Raubüberfalls mit schweren Spätfolgen wurde. „Ich konnte nicht einmal mehr meinen Namen schreiben, ich musste alles neu erlernen“, sagte der Frührentner. In der Behindertenwerkstatt war er zunächst in der Elektroabteilung und montierte Speziallampen. Das machte ihm Spaß. Anfang 2002 aber musste diese Abteilung geschlossen werden. F. kam bei weniger Lohn in die Lebensmittelverpackung und damit zum Salat-Fix.

Der Verdacht fiel schnell auf F. als Verfasser der Schreiben – er hatte sich häufig schriftlich beschwert. Nach seiner Darstellung aber tragen die Erpresser-Briefe, die an das Landeskriminalamt und eine Boulevardzeitung gegangen waren, nicht seine Handschrift. „Da sind Fehler drin, die ich aufgrund meines Bildungsstandes nie machen würde“, sagte F. Nicht eine vergiftete Tüte hat die Behindertenwerkstatt verlassen. Dafür aber der Angeklagte. Er putzt jetzt in einer Tankstelle. Der Prozess wird nächste Woche Freitag fortgesetzt.

Kerstin Gehrke

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