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Die "Initiative für Gerechtigkeit bei sexueller Gewalt" demonstriert am Montag vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin. Foto: Jörg Carstensen/dpa

© Jörg Carstensen/dpa

Gina-Lisa Lohfink vor Berliner Gericht: Zeuge schildert Sex mit Lohfink als einvernehmlich

Hat Gina-Lisa Lohfink zwei Männer zu Unrecht der Vergewaltigung bezichtigt? Begleitet von einer großen Unterstützer-Demo vor dem Gericht begann die Befragung von Zeugen.

Dutzende Kameras und Journalisten warteten im Kriminalgericht Berlin-Moabit, viele Unterstützer des Models hatten sich vor dem Gebäude versammelt: Im Fall Gina-Lisa Lohfink ist der Prozess um eine mutmaßliche falsche Verdächtigung am Montag mit der Befragung von Zeugen fortgesetzt worden. Nach Anträgen der beiden Verteidiger – darunter ein Befangenheitsantrag gegen die zuständige Amtsrichterin – wurde der 28-jährige F. in den Zeugenstand gerufen. Er ist einer der beiden Männer, gegen die Gina-Lisa Lohfink vor vier Jahren Anzeige erstattet hatte. Nun widersprach er der 29-Jährigen.

"Es war einvernehmlicher Sex“, erklärte der Zeuge, der als Beruf Fußballspieler angab. Ein weiterer Mann sei dabei gewesen. Dieser habe zunächst gefilmt. „Wir waren alle angetrunken, gut drauf.“ Das Model habe sich ausgezogen. „Ich zog mich auch aus.“ Die Handy-Aufnahmen habe er eigentlich nicht gewollt, so der 28-Jährige. Aber später habe auch er gefilmt. 

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Die Richterin konfrontierte ihn mit der Aussage des Models: „Sie sagte, sie habe den Sex nicht gewollt und nach der Polizei geschrien.“ Zeuge F. zögerte nicht. „Das stimmt nicht“, hielt er dagegen. Sie habe auch nicht gesagt, dass sie die Wohnung verlassen wolle. Aus seiner Sicht habe sich ihr Nein auf das Filmen bezogen. Nach dem Sex habe sie noch gescherzt: „Ihr mir euren Videos.“

Der Fall ist zum Politikum geworden

Aussage gegen Aussage. Wird das Model zum zweiten Mal zum Opfer gemacht? Oder sind es Lügen? Der Fall ist inzwischen zum Politikum geworden. Und er beschleunigt die Nein-hießt-Nein-Diskussion um ein verschärftes Sexualstrafrecht in Deutschland. Das „Nein“ eines Opfers müsse reichen, um einen mutmaßlichen Vergewaltiger verurteilen zu könne, so die Befürworter. Einige sehen in Gina-Lisa Lohfink inzwischen eine Vorkämpferin.

Nun sagte die 29-Jährige in die Kameras: „Was mir passiert ist, kann auch anderen passieren - ich möchte helfen, helfen.“ Unter Tränen sagte sie, nichts an dem Prozess sei eine Inszenierung: „Das ist keine Show, so eine gute Schauspielerin kann ich gar nicht sein.“ Sie erntete Beifall auf dem Gerichtsflur.

Demo vor dem Gerichtsgebäude

Auch vor dem Gerichtsgebäude in Berlin-Tiergarten haben sich Menschen versammelt, die sich mit Gina-Lisa Lohfink solidarisieren. "Stop Blaming Victims" und "Solidarität mit Gina-Lisa Lohfink und allen Betroffenen sexueller Gewalt" steht auf Plakaten. Micha Streibelt steht am Mikrofon.

Demo vor dem Amtsgericht Tiergarten.
Demo vor dem Amtsgericht Tiergarten.

© Melanie Berger

Sie hat die Demo gemeinsam mit sechs anderen Frauen organisiert, den Anstoß gab die Initiative für Gerechtigkeit bei sexueller Gewalt. Sie selbst ist kein Mitglied der Initiative und hat die Demo als Privatperson angemeldet. "Wir sind einfach eine paar engagierte Menschen die etwas Beitragen wollen. Wir sind keine Partei, keine Organisation, kein Verband", erklärt sie. Zu Mittag sind etwa 150 Menschen da, sie sitzen auf der Straße gegenüber vom Gerichtsgebäude. Die meisten sind Frauen, einigen stehen Tränen in den Augen, bis 16 Uhr soll es Kundgebungen und Musik geben. Die Forderungen: Nein-heißt-Nein soll als Prinzip ins Sexualstrafrecht aufgenommen werden. Zusätzlich müsse es Aufklärungskampagnen für die Öffentlichkeit geben und Schulungen für das Personal von Polizei, Staatsanwaltschaft und Krankenhäusern.

"Wir haben ein Sexualstrafrecht in dem das Nein eines Opfers wertlos ist", sagt Micha Streibelt dem Tagesspiegel. "Bei keinem anderen Delikt sind die Betroffenen so oft mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würden es erfinden, aufgrund von verschmähter Liebe oder Rache."

Birte Streckelsen erlebte selbst sexuelle Gewalt - sie hofft auf mehr Aufmerksamkeit für das Thema.
Birte Streckelsen erlebte selbst sexuelle Gewalt - sie hofft auf mehr Aufmerksamkeit für das Thema.

© Melanie Berger

Birte Spreckelsen hält ein Schild auf dem "Ihr schuldet uns Gerechtigkeit" steht. Als die heute 27-Jährige 17 war, entkam sie nur knapp einer Vergewaltigung, erzählt sie. "Mir wurde da bewusst, dass es einfacher ist, einen Fahrraddiebstahl ohne Seriennummer, Foto und Quittung anzuzeigen, als einen Vergewaltigungsversuch ohne Zeugen." Sie kenne viele Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben und nicht darüber sprechen - vor allem bei der Generation ihrer Eltern sei das Thema immer noch tabu.

Das berichtet auch Jana Neumann. Vor kurzem sprach sie mit ihrer Mutter über den Fall Gina-Lisa, "da brach ganz viel aus ihr heraus, es war sehr emotional", sagt die 29-Jährige. Auf die Frage, ob sie glaube jetzt würde sich etwas ändern, am Strafrecht oder dem öffentlichen Umgang mit Opfern sagt sie nur: "Es muss."

Demo vor dem Amtsgericht Tiergarten.
Demo vor dem Amtsgericht Tiergarten.

© Melanie Berger

Was geschah in der Partynacht im Juni 2012?

Bei dem Prozess gegen Gina-Lisa Lohfink geht es jetzt um den Vorwurf der falschen Verdächtigung. Das Gericht versucht dabei zu klären, was in einer Nacht im Juni 2012 in Berlin wirklich geschah. Die besagten Videosequenzen zeigten das Model beim Sex mit zwei Männern. Nachdem die Männer die Videos ins Netzt gestellt hatten, erstattete Gina-Lisa Lohfink Strafanzeige. Sexuelle Handlungen seien gegen ihren Willen erfolgt, sagt sie. Zudem vermutete sie, dass ihr heimlich K.o.-Tropfen verabreicht wurden. Sie habe einen Filmriss erlitten.

Kreislaufzusammenbruch am ersten Prozesstag

Gegen die Männer wurde dann damals wegen Verdacht auf Vergewaltigung ermittelt. Die Verwürfe erhärteten sich nicht. Lohfink aber erhielt einen Strafbefehl. 36.000 Euro sollte das Model zahlen – 90 Tagessätze zu je 400 Euro. Sie legte Einspruch ein. Am ersten Prozesstag vor vier Wochen erlitt Lohfink einen Kreislaufzusammenbruch. Ob es am Montag zu einem Urteil kommt, ist ungewiss. Der erste Zeuge musste nach Anträgen der Verteidiger etwa 100 Minuten auf den Beginn seiner Befragung warten.

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