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Berlin: Glamouröse Eröffnungsfeiern am Potsdamer Platz

Die Stars steigen von der Leinwand und mischen sich mit alten und neuen BerlinernElisabeth Binder Noch ein alter Traum hat sich erfüllt: In diesen Tagen schauen die Augen der Welt auf den Potsdamer Platz. Hollywoods Fußabdrücke an einem Ort, der noch jung ist, aber mit der Berlinale 2000 eine neue Aura gewinnt.

Die Stars steigen von der Leinwand und mischen sich mit alten und neuen BerlinernElisabeth Binder

Noch ein alter Traum hat sich erfüllt: In diesen Tagen schauen die Augen der Welt auf den Potsdamer Platz. Hollywoods Fußabdrücke an einem Ort, der noch jung ist, aber mit der Berlinale 2000 eine neue Aura gewinnt. Die unwiderstehliche Patina, die live erlebter Glamour hinterlässt, wird immer mehr Leute dorthin ziehen, wo der Himmel über Berlin vor nicht allzu langer Zeit nur Brachland sah. Auch daran wurde bei der Eröffnung erinnert. Eingewohnt von denen, die Träume schaffen und mit ihnen handeln, nähert der Platz sich seinem alten Mythos, den die Jahre des Kalten Krieges nicht auslöschen konnten. Vielleicht ist es auch Nachholbedarf, der das Extra-Funkeln verstärkte, das vielen besonders auffiel.

Warum haben eigentlich Filmpartys so eine magnetische Anziehungskraft und die Feten von, sagen wir mal, Rechtsanwälten oder anderen honorigen Leuten, nicht? Erstaunlich, wie viele Zaungäste es bei strömendem Regen auf den Potsdamer Platz und vors Party-Hotel Interconti getrieben hatte, um den Stars des Films The Million Dollar Hotel zuzujubeln, der zwar sehr schön und sehr tief und sehr ernst war, aber ganz gewiss nicht populistisch und am Massengeschmack orientiert.

Es hat was mit Atmosphäre und Illusionen zu tun. Alle Kritik, die wir spätnachts bei der Party noch zu hören bekommen, werden dadurch aus dem Feld geschlagen. Der Marlene-Dietrich-Platz ist die perfekte Kulisse für den ganz großen Auftritt. Schade fast um die Kunst der Visagisten und Haute-Couture-Schneider, dass man das nicht doch auf laue Sommerabende verlegen kann. Das Lächeln für die Kamera-Armeen käme weniger sturmzerzaust daher.

Der harte Kern der ernsthaften Kulturschaffenden argumentiert natürlich auf der Party immer wieder, dass ein Musical-Theater kein Platz für ein Arbeitsfestival ist, weil die Stuhlreihen zu eng und die Treppen zu hoch sind. Dafür ist es ein Ort mit Glanzverstärker. Die Jury im Parkett zu den Klängen einer Jazzband von Fotografen umringt, in einer Reihe Gong Li in türkisfarbener Seide, Maria Schrader, Wim Wenders, Bundespräsident Rau und Ehefrau Christina, davor mehrere Botschafter und zwischendrin weitere Filmstars wie Iris Berben und Senta Berger.

Ob man einen Film bei einer Festivaleröffnung sieht oder ganz normal im Kino, macht durchaus einen Unterschied. Die riesige Leinwand, die Reden, die Blumen, die von Wim Wenders besonders betonte Ehre, abgesehen von den Kritikern das erste echte Publikum zu sein, erhöht die Konzentration und setzt die Toleranz-Schwelle für schwierigere Stoffe niedriger.

Was die Menschen vom Film so wollen, konnte man anschließend auf der Party hören: sich identifizieren können mit den Filmfiguren. Das war beim Eröffnungsfilm schwer. Produzent Artur Brauner fand das Millionen-Dollar-Hotel "interessant - als Kunstfilm", aber hatte seine Zweifel, dass über die Maßen viele Leute an der Kinokasse dafür anstehen werden. Die Hauptdarsteller waren allerdings umschwärmt, hatten, auch das gehört zur Inszenierung dazu, ihre Kleidung dezent auf die Rollen abgestimmt, Lila und Grau dominierten.

Der Bus-Transfer vom Potsdamer Platz klappte. Das war keine Selbstverständlichkeit, denn Kinderkrankheiten wie unvermutete Absperrungen und Staufallen gab es natürlich auch. Das Problem ist nach wie vor, dass immer mehr Leute teilhaben wollen, dass der Druck auf die Veranstaltungen wächst. Über 2000 Menschen versammelten sich im Interconti, auf einem geschickt von Buffets separierten Podest, leicht abgehoben vom Rest die anwesenden Filmstars, viele Petits Fours, angerichtet zwischen den Hauptgängen, zogen Naschlustige an und verhinderten Schlangenbildung. Sehr umlagert war Shawne Borer-Fielding, die ihre Doppelrolle als Filmstar und Frau des Schweizer Botschafters hier richtig ausspielen konnte. Im wirklichen Leben bringt sie es fertig, nach wochenlangen Dreharbeiten in Amerika taufrisch aus dem Flugzeug zu steigen und elegante Partys für Diplomaten und andere honorige Leute zu inszenieren, hier brachte sie in einer für eine Festivaleröffnung exakt passenden orangeroten Kombination, Film und Diplomatie zusammen; eine typische Figur für diese neue Stadt.

Wobei die Bonner sich rar machten und auch der Bundespräsident nach seinem mit viel Applaus bedachten Plädoyer zum Auseinanderhalten von Kunst und Kommerz auf die Eröffnungsfete verzichtete. Es ist am Ende ja doch nur ein Umherwandern zwischen Leuten, die auch nach dem dritten Glas Sekt das Geschäft der Selbstinszenierung nicht aus den Augen verlieren. Aber worum geht es im Film, wenn nicht um Illusionen, wenn nicht darum, die Projektionsfähigkeit des geneigten Publikums zu schüren? Klar, dass die Stars die Kunst, die sie auf die Leinwand bringen, auch an sich selbst anwenden. Filmfans, die nun den Auftritten von Leonardo DiCaprio und Gwyneth Paltrow entgegenfiebern, werden sich davon nicht trösten lassen. Gleißende Spots weisen den Weg zum Marlene-Dietrich-Platz, wo sie alle sein wollen: wie Motten im Licht.

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