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Potsdamer-Platz-Trio: Rechts, der Bahntower, Mitte, der Kollhoff-Turm, links das Hochhaus von Renzo Piano.

© Paul Zinken/dpa

Glasbruch und Klinkerschaden: Fassadenprobleme am Potsdamer Platz

Warum fallen am Potsdamer Platz immer wieder Steine und Gläser herab? Weil die Architekten innovativ sein wollen. Eine Scherben-Bilanz.

Es hätte tragisch ausgehen können. Ein Glaselement, fast anderthalb Meter lang, stürzt aus dem 16. Stock auf das Auto einer 26-Jährigen. Getroffen wird die Heckscheibe, die Fahrerin bleibt unverletzt. Die Polizei hat keine Ermittlungen aufgenommen. Auch Mittes Baustadtrat Carsten Spallek sieht derzeit keinen Grund für die Behörden einzuschreiten. Die Hausverwaltung des Eigentümers habe sofort eine Firma mit „Sicherungsmaßnahmen beauftragt“. Daher sei der Eigentümer seiner Pflicht zur Schadensabwehr „zeitnah nachgekommen“.

Scherben am Bahntower gab es schon 2007

Der Bahntower gehört wie das gesamte Sony Center einem südkoreanischen Pensionsfonds. Die Gebäude werden von der Immobilienfirma Hines gemanagt. Eine schriftliche Stellungnahme zum Vorfall wurde am Donnerstag angekündigt, lag aber bis Redaktionsschluss nicht vor.

Nicht zum ersten Mal stürzen Glasteile vom Bahntower am Potsdamer Platz. 2007/8 wurde mehrfach Alarm gegeben, weil Glas in der Fassade gesprungen oder bereits herabgefallen war. Das Synonym Scherben-Tower machte die Runde. Ende der 90er Jahre musste die gesamte Glasfassade der Galeries Lafayette an der Friedrichstraße ausgetauscht werden, weil immer wieder Scheiben zerborsten und heruntergekracht waren. Auch damals wurde niemand verletzt.

Architekten haben dazugelernt

Die Untersuchung im Labor der Bundesanstalt für Materialforschung ergab Verunreinigungen im Glas, in anderen Fällen waren zu starre Aufhängungen die Ursache. Ein Gutachter für Glasfassaden, der anonym bleiben möchte, sieht vor allem die Bauphase der 90er Jahre als kritisch an. Damals habe man sich erst an das neue Fassadenmaterial herangetastet und ohne gesicherte Normen neue Verfahren entwickelt. Inzwischen hätten die Architekten dazugelernt, es gebe keinen Grund, Glasfassaden „grundsätzlich zu verteufeln“. Es sei eben immer spektakulär, wenn ein Glas aus der Verankerung falle. Bei herumfliegenden Dachpfannen oder Klinkersteinen gebe es keine öffentliche Debatte. So was gehöre eben zum Restrisiko im Leben.

Das verklinkerte Kollhoff-Hochhaus gegenüber dem Bahntower verlor auch schon mal seine attraktive Verkleidung, was durchaus die Öffentlichkeit beschäftigte. „Die Fassade löste sich förmlich auf“, sagt die Sprecherin des Bundesamtes für Materialforschung, Ulrike Rockland. Grund sei die Verschmelzung der Materialien Beton und Klinker, die auf Witterungseinflüsse unterschiedlich reagieren, wie man im Labor herausfand. „Das Verfahren hätte niemals zugelassen werden dürfen.“ Die Fassade musste 2008 saniert werden. Wer für den Schaden, nach Medienberichten zehn Millionen Euro, aufgekommen ist, blieb unklar.

Am Paul-Löbe-Haus senkte sich die Glasfassade

Hätte man puren Backstein genommen, wäre nichts passiert. Doch Bauwirtschaft und Architekten versuchen die gestalterischen Möglichkeiten ständig auszuweiten. Glas ist dabei weiterhin sehr beliebt, besonders im politischen Bereich, weil es dem Betrachter Offenheit und Transparenz vermittelt. Entsprechend lang ist die Liste der Schäden im Regierungsviertel. Am Paul-Löbe-Haus senkte sich eine Glasfassade stärker als geplant, deshalb zersprangen die Scheiben. Am Jakob-Kaiser-Haus bröckelte das Glas auch ohne Absenkung. Im Kanzleramt hatte sich die Verglasung des Wintergartens aus den Rahmen gelöst.

Nur Reichstagskuppel und der gläserne Hauptbahnhof blieben bislang vom Glasbruch verschont.

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