zum Hauptinhalt

Glosse: Das Wahlergebnis als Umzugshilfe

Nach der Bundestagswahl die Wohnungswahl? Wie Sie die detaillierten Zahlen aus den Berliner Wahllokalen als Umzugshilfe nutzen können. Eine Glosse von Sylvia Vogt.

Man kann über das Wahlergebnis jammern, es soll auch welche geben, die sich freuen. Und dann gibt es noch die, die jetzt lamentieren, dass es für das tägliche Leben komplett egal sei, ob nun Schwarz-Gelb, Schwarz-Rot oder Rot-Rot-Grün regiert. Aber das stimmt gar nicht. Denn man kann die Zahlenkolonnen durchaus praktisch nutzen – zum Beispiel bei der Wohnungssuche.

Bei Wohnportalen im Internet und über Google-Maps kann man sich längst darüber informieren, wie es in der Nähe der ins Auge gefassten Wohnung aussieht, ob ein Kino in der Nähe ist, eine Kita, ein Schwimmbad oder eine Schule. Aber ob die Leute eher konservativ, alternativ oder total desinteressiert sind, das haben die fleißigen Programmierer noch nicht eingearbeitet.

Doch jetzt schlägt die Stunde des Landeswahlleiters! Auf der Seite http://www.wahlen-berlin.de/ kann man unter dem Navigationspunkt "Vorläufiges Endergebnis – nach Wahlbezirken" einfach seine Wunschstraße eingeben. Und schon sieht man, was die zukünftigen Nachbarn gewählt haben und wie viele überhaupt ihre Kreuze gemacht haben. Einen guten Überblick bietet auch unsere Pdf-Übersicht über die Wahllokale, bei der man - alphabetisch nach Bezirken - ablesen kann, dass es manchmal schon in benachbarten Straßen ganz verschieden zugeht.

So finden sich zum Beispiel in Steglitz-Zehlendorf, das im Durchschnitt eher konservativ gewählt hat (CDU 31,1 %, SPD 20,2 %, Linke 7,2 %, Grüne 19,4 %, FDP 16,9 %) auch Enklaven, in denen die Grünen vorn liegen. Im Wahlbezirk 604, das ist eine Gegend in Dahlem am Rande des Grunewalds zwischen Onkel Toms Hütte und Clayallee, haben von 607 Wählern 208 die Grünen gewählt, und nur 112 die CDU.

Rund um die Rudolf-Reusch-Straße in Lichtenberg dagegen, im Dreieck zwischen Frankfurter Allee und Möllendorffstraße, hat die Linkspartei die absolute Mehrheit, 54,2 Prozent der Wähler haben für sie abgestimmt. Alle anderen Parteien haben dort eher den Status von Splitterparteien. Allerdings sind in dem Wahlbezirk überhaupt nur 625 von 1.383 Wahlberechtigten zur Urne gegangen. Wem das immer noch zu uneinheitlich ist, der kann sich auch eine Plattenwohnung in der Johanna-Tesch-Straße in Köpenick suchen. Dort weiß sich der Linkspartei-Fan von 429 anderen umgeben, das sind 64,4 Prozent der Wähler.

Wer in Friedrichshain wenigstens ein paar CDU-Wähler um sich haben möchte, sollte nach Alt-Stralau ins Townhaus ziehen. In Kreuzberg könnte der Unionsanhänger rund um die Lobeckstraße Gleichgesinnte finden (20,1 % für die CDU). Und gebeutelte Sozialdemokraten sollten einen Umzug in die Altstadt-Spandau ins Auge fassen. Sagenhafte 42,9 Prozent stimmten in der Gegend rund um die Nikolaikirche für die SPD. Mit mindestens 4 Rechtslastigen muss man dort allerdings auch leben. 3 Menschen stimmten für die Republikaner, einer für die DVU. Wie und ob man die erkennt, weiß nicht mal der Landeswahlleiter.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false