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Glücksspiel: Immer mehr Spielhallen - Bezirke schlagen Alarm

Paradoxe Entwicklung: Wettbüros und Lottoläden müssen in Berlin schließen - doch gleichzeitig drängen Betreiber von Automaten-Spielhallen in die Stadt. Dutzende Großprojekte sind beantragt, juristisch ist eine Ablehnung schwierig. Doch es regt sich Protest.

Von 15 geplanten Standorten allein in seinem Bezirk spricht Bernd Krömer (CDU), Baustadtrat von Tempelhof-Schöneberg. Auch in Spandau und Charlottenburg-Wilmersdorf stapeln sich die Anträge. Teilweise seien in Berlin Hallen mit mehreren tausend Quadratmetern Fläche geplant, sagt Stadtplanungsamtsleiter Rainer Latour (Charlottenburg-Wilmersdorf). Rechtlich seien die Projekte „kaum zu verhindern“, urteilt Krömer.

Doch damit wollen sich besorgte Bürger nicht abfinden: Seit Freitag sammeln sie Unterschriften gegen eine Neuansiedlung am Nahmitzer Damm. Jürgen Juhnke von der „Initiative Berlin-Marienfelde“ kritisiert, die mehr als 700 Quadratmeter große „Mega-Spielhalle“ liege „publikumswirksam“ nahe dem S-Bahnhof Buckower Chaussee, dem Einkaufszentrum Südmeile und einer Wohnsiedlung. Die Initiative will 10 000 Protestflyer verteilen. Stadtrat Krömer verweist darauf, dass der Standort zu einem Industriegebiet gehöre. Dort seien Vergnügungsstätten „ausnahmsweise zulässig“. Der Investor erhielt deshalb einen positiven Bauvorbescheid.

Einen „Boom“ und Trend zu großen Spielhallen sieht der Charlottenburg-Wilmersdorfer Wirtschaftsstadtrat Marc Schulte (SPD). Dem Bezirk liegen drei Anträge für „zentrale Lagen“ vor – die Adressen unterliegen noch dem Datenschutz. Am Kurfürstendamm hat der Bezirk Neueröffnungen per Bebauungsplan untersagt. „Aber das geht nicht überall“, sagt Schulte. Stadtplanungsamtsleiter Latour vermutet einen Zusammenhang zwischen der steigenden Antragszahl und dem Verbot privater Wetten und Glücksspiele. Dadurch flössen mehr Investitionen in Automatenspielhallen.

Auch in Spandau sind drei neue Standorte beantragt. Eine weitere Genehmigung konnte in einem Prozess abgewehrt werden. Laut Baustadtrat Carsten Michael Röding (CDU) ging es um die Pichelsdorfer Straße, in der ein halbes Dutzend Spielhallen existiert. Wegen dieser Häufung durfte der Bezirk die Erlaubnis verweigern. Zu den treibenden Kräften zählt Röding die russische Ritzio Entertainment Group, die sich „Marktführer bei Unterhaltungsautomaten“ in Osteuropa nennt. Im Planungsamt sollen Manager angekündigt haben, die Zahl der Standorte in Berlin von zehn auf bis zu 40 zu erhöhen. In Spandau will Ritzio ins Einkaufszentrum Siemensstadt ziehen.

Eine Sprecherin der Senatsgesundheitsverwaltung sagte, die Entwicklung vertrage sich „natürlich nicht mit unserem Kampf gegen die Spielsucht“. Die Landesdrogenbeauftragte Christine Köhler-Azara betont: „80 Prozent der Spielsüchtigen sind klassische Automatenspieler.“ Selbst für Jugendliche, die Spielhallen nicht betreten dürfen, sei deren Nähe ein „einstiegsfördernder Faktor“.

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