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Berlin: Glückssträhne für Anja

Hauptschüler, die einen Ausbildungsplatz suchen, brauchen nicht nur gute Noten

Anja Schindler bleibt auch dann schon mal im Laden, wenn die Föne beiseite gelegt und die Lichter im Laden ausgemacht werden. „Mir macht die Arbeit noch mehr Spaß als die Berufsschule“, sagt die Auszubildende im Frisörsalon „Sinika’s Hairdesign“ an der Wilmersdorfer Straße nahe Adenauerplatz. Die 17-jährige Charlottenburgerin gehört zu jenen jungen Berlinern mit Hauptschulabschluss, die den Einstieg in die Berufswelt – trotz aller Schwierigkeiten – geschafft haben.

Und das, obwohl die Noten auf dem Zeugnis mit dem erweiterten Hauptschulabschluss nicht gerade gut waren. „Aber Frisörin ist mein Traumberuf, und so bin ich einfach mit der Bewerbung persönlich in Salons gegangen.“ Ihre erste Stelle hatte Anja Schindler über die Vermittlung einer Lehrerin bekommen. „Dort habe ich wieder aufgehört, weil mein Chef die Jugendschutzbestimmungen nicht eingehalten hat und ich eher putzen musste, als dass ich was gelernt habe.“ Bei ihrer neuen Chefin Sinika Blumenhein, der vor allem die Zensur im Fach Kunst wichtig war, hat sie mehr Glück. Anja war erst ein paar Tage zur Probe da. „Man kann nicht erwarten, dass die jungen Leute alles beherrschen, wenn sie frisch von der Schule kommen“, sagt die 44-jährige Chefin.

Auch andere Azubis mit Hauptschulabschluss nach der 10. Klasse mussten sich durchbeißen, haben es aber geschafft – so wie die 18-jährige Jenny Steinz aus Ahrensfelde. Die angehende Bäckereifachverkäuferin wechselte im ersten halben Jahr ihrer Ausbildung sogar schon dreimal die Stelle. „Die ersten Arbeitgeber haben mich gleich allein in den Laden gestellt, aber ich will doch was lernen.“ Sie holte sich Rat bei Arbeitsamt und Handwerkskammer, die empfahlen zu wechseln. Ans frühe Aufstehen habe sie sich gewöhnt. „Ich arbeite am liebsten in der Schicht von sieben bis 15 Uhr. Da muss ich um vier aufstehen, aber habe noch was vom Tag.“ Und die Kollegen „sind wunderbar“. Konflikte an der Hauptschule hat Jenny Steinz über ihren jüngeren Bruder mitbekommen, „der ist 16, eher klein und deswegen schon Spießruten gelaufen“.

Frisörlehrling Anja Schindler findet, an Verhältnissen wie denen an der Rütli-Schule „sind Schüler und Lehrer schuld: Die Lehrer müssen mehr durchgreifen“. Auch die 17-Jährige hat erlebt, dass andere auf sie herabblicken. „Ich wünsche mir, dass auch Chefs Jugendliche nicht nur nach Noten beurteilen.“kög

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