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Görlitzer Park: Hilfe für die Streicheltiere

Muss der Kinderbauernhof im Görlitzer Park bald wegen mangelndem Tierschutz geschlossen werden? Die Betreiber wollen jetzt länger arbeiten und die Stallzeiten verkürzen. Viele Familien fürchten dennoch um ihre Kiez-Oase.

Kathrein Hölscher kniet mit Sohn Samuel vorm Zaun des Ziegengeheges. „Wenn der Kinderbauernhof schließen müsste, das wäre für die Großstadt ein unglaublicher Verlust.“ Am Tag nachdem Berlins Tierschutzbeauftragter Klaus Lüdcke forderte, den Kinderbauernhof im Görlitzer Park wegen teils mangelhafter Tierhaltung notfalls sogar zu schließen, sind Besucher und Betreiber aufgeschreckt. Sie starteten am Sonnabend eine Unterschriftenlisten- und E-Mail-Lobbyaktion. Zugleich beschlossen Mitarbeiter des Betreibervereins, die Arbeitszeiten mit zunächst ehrenamtlichem Einsatz auszudehnen, damit die Tiere nicht mehr über 18 Stunden im engen und dunklen, aber vandalismussicheren Stall eingeschlossen werden müssen. Die Stiftung Naturschutz, die die Einrichtung unterstützt, fordert jetzt vom Verein ein detailliertes Betreiberkonzept – sowie mehr finanzielle Förderung für den Kinderbauernhof vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg.

Am Dienstag wird es nun ein Treffen mit Vertretern des Veterinäramtes geben. „Bislang haben wir da immer viel Unterstützung für unsere Arbeit erfahren“, sagt eine der vier hauptamtlichen, doch nur teilzeitbeschäftigten Vereinsmitarbeiter, Camilla Nilson. Jetzt würden auch vier Schafe abgegeben, damit die übrigen Tiere – insgesamt sind es rund 60 – im alten Fachwerkstall mehr Platz haben. Gemeinsam mit einem handwerklich geschulten, jugendlichen Stammbesucher will Erzieher Uli Auerbach zudem größere Fenster für mehr Luft und Licht im Stall installieren. „Die müssen aber vergittert sein, wir sind hier nicht in Zehlendorf“, sagt der langjährige Mitarbeiter.

Viele Besucherkinder haben Einwanderereltern – aber auch für viele deutschstämmige Gäste sei völlig neu, „dass Eier nicht aus dem Supermarkt kommen, sondern von Hühnern gelegt werden“. In dem von Auszubildenden des Oberstuftenzentrum Bau errichteten Anbau des Verwaltungsgebäudes wird zunehmend Nachhilfe gegeben und bei Hausarbeiten geholfen – auch das leistet der Kinderbauernhof. Zu den ehrenamtlichen Helfern gehört Azize Al-Musa, die mit Tochter Betul regelmäßig kocht – und andere arabischstämmige Mütter zum Besuch einlädt. „Wir leisten eben auch Integrationsaufgaben“, sagt Auerbach. Er besorgt gerade neuen Teig für die Waffeln, die zugunsten einer Ferienfahrt für benachteiligte Kinder verkauft werden.

„Trotzdem ist und bleibt das ein Kinderbauernhof, der sich an Tierschutzvorgaben halten muss“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Naturschutz, Johann-Wolfgang Landsberg-Becher. Diese empfiehlt den Hof als grünen Lernort, integriert ihn beim langen Tag der Stadtnatur – und zahlt für vier Stellen des Freiwilligen Ökologischen Jahres. „Wir wollen das beibehalten, aber die Betreiber müssen die Kritik annehmen und umsetzen.“ So müssen in Gehegen Rückzugsmöglichkeiten gebaut werden, die Schafe brauchen einen Unterstand, damit sie sich bei Nässe keine Klauenkrankheiten zuziehen.

Besucher sowie Grünflächenamtsmitarbeiter hatten zudem bemängelt, dass Gülle aus dem Misthaufen hinterm Stall ausläuft und dass Wasser aus dem vermoorten Ententeich im Park entsorgt worden sei, sagt Landsberg-Becher. Eine Besucherin kritisierte, dass Meerschweinchen als soziale Tiere allein gehalten wurden. Derweil kommen die Mitarbeiter des pädagogischen Projektes kaum hinterher: Ständig muss Kindern – auch per Schildern – verdeutlicht werden, dass sie nicht mit Kohl, Spaghetti oder Döner füttern sollen. „Der Tierschutzbeauftragte will sich jetzt wohl öffentlich profilieren“, sagt einer. „Er sollte sich lieber für mehr Mittel für diese Oase einsetzen“, sagt Stammgast Jörg Benecke. Eine Spende bekamen die Betreiber gestern: Restaurantbetreiber aus dem Kiez hatten sich für einen Dreh im Görli zwei Esel geliehen – als Protagonisten eines Musikvideos fürs Public Viewing während der Fußball-EM.

Annette Kögel

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