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Berlin: Gospelrhythmen im Gebetshaus

Die Synagoge in der Rykestraße feierte ihr 100-jähriges Bestehen und die Gäste johlten und klatschten. Wowereit: Jüdisches Leben in Berlin hat Zukunft

Über tausend Männer und Frauen klatschten, johlten und wiegten sich in Jazz- und Gospelrhythmen – in der Synagoge in der Rykestraße. Auch Bundespräsident Horst Köhler, seine Frau Eva und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) klatschten im Takt. Das Konzert von Joshua Nelson, einem jungen schwarzen Kantor aus New Jersey, bildete den Höhepunkt des Festaktes zum 100-jährigen Bestehen der Synagoge in der Rykestraße. Das neoromanische Gebäude in Prenzlauer Berg ist mit 2000 Plätzen die größte Synagoge in Deutschland.

Nicht allen gefiel Nelsons Auftritt. Die Musik sei dem Jubiläum nicht angemessen, sagte ein jüngeres Gemeindemitglied. Schließlich gedenke man an diesem Tag auch der mehreren tausend Gemeindemitglieder, die von den Nazis umgebracht wurden. „Wem es nicht gefallen hat, braucht zum 200. Geburtstag ja nicht mehr zu kommen“, sagte Hermann Simon, Vorstandsmitglied der Synagoge und Direktor der Stiftung Centrum Judaicum mit einem Augenzwinkern. Er selbst hatte 1962 in der Rykestraße seine Bar Mizwa und betonte in seinem Festvortrag, dass der 12. September 2004 nicht nur für das 100-jährige Jubiläum des Gebetshauses stehe, sondern auch für die Gründung der Berliner Jüdischen Gemeinde. Genau vor 333 Jahren habe Kurfürst Friedrich Wilhelm den ersten beiden jüdischen Familien erlaubt, sich in Berlin niederzulassen. Simon unterstrich, dass die Synagoge „entweiht, aber nie zerstört wurde“. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde sie zwar wie die anderen Berliner Synagogen angezündet. Da das Gebetshaus in der Rykestraße aber in einem Hinterhof liegt, wurden die Flammen schnell gelöscht, um zu verhindern, dass sie auf die umliegenden Wohnhäuser übergriffen.

„Jüdisches Leben hat in Berlin wieder eine Zukunft“, sagte Klaus Wowereit in seiner Rede, „darauf sind wir stolz“. Auch darauf, dass sich das jüdische Leben wieder selbstbewusst in der Öffentlichkeit zeige. Joachim Zeller, CDU–Landeschef und Bezirksbürgermeister von Mitte, freute sich, „dass sich jüdisches Leben wieder einspeist in das Leben der Stadt“. Allerdings gebe es nach wie vor „antijüdische Hetze und Beschimpfungen von Juden“, sagte Wowereit und rief „alle Berliner auf, sich diesen Angriffen im Alltag entgegenzustellen“.

„Wir öffnen dieses Haus für ein gutes Miteinander“, sagte Albert Meyer, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde. Im Vorfeld des Jubiläums hatte es Proteste gegeben, weil Meyer Christian Flick eingeladen hatte, den Enkel des NS-Kriegsverbrechers und Industriellen Friedrich Flick. Als Gäste ankündigten, deswegen nicht kommen zu wollen, hatte Flick abgesagt.

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