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Gottesdienst in Lichterfelde: Der Verrat und seine Botschaft

Beim Gottesdienst in Lichterfelde wird Judas’ Verdienst erklärt und Gospel gesungen. Unser Bericht aus der Tagesspiegel-Serie "Sonntags um zehn".

Warum eigentlich hat Jesus den Verrat an sich selbst provoziert? Warum hat er nicht den Mund gehalten, sondern beim Abendbrot mit seinen Jüngern gesagt, dass einer ihn verraten würde? Warum hat er in das erschrockene Schweigen hinein gesagt, der, dem er gleich einen Brotbissen geben werde, sei der Verräter? Und dann gab er das Brot an Judas und sagte dem: Was du tun willst, das tue bald! Und warum hat Judas, der bis dahin noch gar nichts tun wollte, den Auftrag angenommen und ist auch gleich hoch vom Tisch und weg?

Ja, was – soll man sagen: zum Teufel – sollte das?

In schneller Rede kreiste Pfarrerin Susanne Peters-Streu in ihrer Predigt diese Frage ein, die sich aus dem Johannes-Evangelium ergibt. „Warum wurde Jesus nicht von einem Außenstehenden verraten?“, fragte sie die Besucher, die vor allem auf den hinteren Bänken der hohen Petruskirche am Oberhofer Platz in Lichterfelde saßen. Jerusalem sei eine kleine Stadt gewesen, jeder hätte den Schergen sagen können, wo Jesus und seine Jünger sich aufhielten. „Warum ein Vertrauter?“, fragte sie noch mal und gab gleich die Antwort: Es musste so sein, das sei die Botschaft. „Es gibt keine heile Parallelwelt“, sagte sie. „Es gibt kein heiliges Drinnen und kein verdorbenes Draußen.“

Es ist eine Botschaft mit einem großen Resonanzraum, wie gemacht auch für die aktuellen Debatten um Flüchtlinge, ums Reinlassen von Fremden, ums Bewahren des Abendlandes. Es war fast ein bisschen schade, dass Peters-Streu diese Ableitung unterließ. Stattdessen erklärte sie den Trost der Geschichte: Als Jesus und seine Jünger von den Schergen überrascht werden und Judas in deren Mitte steht, zückt Petrus sein Schwert und will Rache am Verräter nehmen. Aber Jesus hält ihn ab. Die Gewaltspirale wird unterbrochen. Das geht also. „Einer musste sich schuldig machen, damit Jesus zeigen konnte, dass er sich lieber richten lässt, als selbst zu richten“, so formulierte es die Pfarrerin. Und damit sei trotz des Hasses, den der Teufel, der in Judas gefahren war, säen wollte, Liebe entstanden.

Auch eine andere Absicht hatte es schwer, die betraf den Gesang. Die „Petrus Gospel Singers“ waren zahlreich angetreten zur gelungenen musikalischen Untermalung – und als Anregung zum furchtlosen Mitsingen, was aber nicht recht zündete. Auch als Kantor und Chorleiter Michael Zagorni flott mit den Fingern schnipsend die Reihen ablief und den Versammelten aufmunternd zunickte, blieb das Echo im Unhörbaren. Was die Sänger nicht verdross. Sie nahmen es hin, wie es ist. Und so hatte auch die Pfarrerin ihre Predigt geschlossen: dass die Menschen in der Passionszeit die Zeit erkennen sollten, in der sie mit ihrer „Schuldverfangenheit Frieden machen“ und damit leben – auch das ein Weg, Gott zu loben und zu preisen.

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