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Bei den Grabungen zur U 55 machten Archäologen eine überraschende Entdeckung.

© Doris Spiekermann-Klaas

Grabungen: Archäologen entdecken Berlins historisches Rathaus

Bei den Grabungen für die U 5 haben Archäologen einen überraschenden Fund gemacht. Jetzt könnte sich der Bau der U-Bahn-Linie verzögern. Senat und BVG diskutieren, wie der Fund präsentiert werden kann.

Bei den Grabungen für die U-Bahn-Linie 5 haben Archäologen überraschend Reste des Hauptsaals des „Alten Rathauses“ von Berlin freigelegt. Das alte Gebäude lag ein bis zwei Meter tiefer als die heutige Straßenkante. Deshalb blieben sogar historische Säulen unter der Erde gut erhalten. Und je tiefer gegraben wurde, desto mehr wurde gefunden: Sogar Silbermünzen haben die Archäologen aus den verschiedenen Ebenen des Bauwerkes unter dem Berliner Erdreich geborgen. Das Alte Rathaus stammt aus dem 13. Jahrhundert und wurde nach der Errichtung des Roten Rathauses im Jahr 1865 abgerissen.

Das Alte Rathaus ist für Stadthistoriker eines der „Gründungsbauwerke der Stadt“ – und deshalb dürfte sich eine Debatte über den Umgang mit diesem historischen Erbe entzünden. Den Plänen der BVG stehen die entdeckten Mauerwerke im Wege: Just an dieser Stelle haben die Architekten „Collignon“ den Eingang des geplanten U-Bahnhofes „Berliner Rathaus“ vorgesehen. Rücksichtnahmen auf das historische Erbe könnten den Zeitplan zur Realisierung der Bahntrasse gefährden – und deren Kosten erhöhen.

Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hieß es: „Dieser relativ neue Fund hat uns überrascht“, so Sprecher Mathias Gille. Man werde nun zunächst in einer „Bestandsaufnahme“ prüfen, wie man mit dem historischen Erbe umgehen muss. Im Hause der Senatorin Ingeborg Junge-Reyer sind sowohl die Fachleute für Bauen und Stadtentwicklung angesiedelt als auch die Verkehrsplaner, auf die im Falle einer Erhaltung der mittelalterlichen Bausubstanz viel Arbeit zukommt. Für den Stadthistoriker Benedikt Goebel ist das Alte Rathaus „das Symbol der bürgerlichen Stadt“. Einige Kirchen seien zwar noch älter. Weil aber kein Landesherr über Berlin bestimmte, sondern die Stadt selbstverwaltet war, sei das Alte Rathaus als Gründungsbauwerk des säkularen Berlins von großer Bedeutung.

Wie beeinflussen die Funde der Archäologen die Planungen der BVG, die direkt vor dem Haupteingang ins Rote Rathaus eine Bahnstation der U-Bahn-Linie 5 bauen wird? „Die Archäologen haben einen konkreten Zeitrahmen – bis Januar müssen sie ihre Arbeit an dieser Stelle beendet haben. Dann sind erst einmal die Leitungsbauer am Zuge“, sagt Klaus Wazlak von der BVG. Danach wird vor dem Rathaus zunächst ein großes Loch gähnen, denn die Station entsteht in offener Bauweise, bis sie „gedeckelt“ wird.

Der „Maulwurf“, die Schildvortriebsmaschine, kommt weiter westlich in die Erde, dort, wo vordem das inzwischen verschobene Marx-Engels-Denkmal stand. Natürlich wäre es reizvoll, direkt vor dem heutigen Rathaus einen Blick in die Geschichte der Stadt zu ermöglichen, also die alten Gemäuer, die Kellerreste und Feldstein-Fundamente zu erhalten und, vielleicht hinter Glas, sichtbar zu machen.

Die BVG würde dies begrüßen, in den aktuellen Planungen ist eine solche Möglichkeit jedoch noch nicht geplant. „Wir sind für alle Ideen offen, Reste der Vergangenheit zu zeigen und für die Zukunft zu bewahren“, sagt Klaus Wazlak, „da können wir uns zusammen mit Archäologen und Architekten etwas einfallen lassen, die alten Mauern im U-Bahnhof wieder aufbauen oder integrieren – über die nicht ganz unwichtige Kostenfrage muss man aber ebenso sprechen wie über die technischen Möglichkeiten“. Einen kleinen Vorgeschmack könnte es demnächst direkt am Bauzaun vor dem Roten Rathaus geben: Die BVG möchte ihn mit kleinen Fenstern versehen, damit man schon bald der Geschichte auf den Grund blicken kann.

Im Architekturbüro „Collignon“ hält man sich mit Prognosen über die Zukunft der steinernen Vergangenheit bedeckt, lässt aber durchblicken, dass es bereits Planungen gibt, „aber in welchem Umfang dies möglich sein wird, kann man heute noch nicht absehen“. Am Ende wird es darum gehen, wer die notwendigen zusätzlichen Gelder für ein solches Unterfangen zur Verfügung stellt. Technisch sei alles möglich, sagen die Architekten – und scheinen guter Dinge zu sein, dass ihnen eine zusätzliche spannende Aufgabe ins Haus steht. Berlins Untergrund liefert ja zahlreiche Beispiele, wie man mit Historie umgeht. Der Verein Berliner Unterwelten konserviert Vergangenes, das tut auch die BVG: Auf dem Weg vom U-Bahnhof Hermannstraße zur S-Bahn sind steinerne Spuren jüngster Vergangenheit zu sehen – sie gehören zu einem Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg.

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