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Berlin: Grausame Eltern: Abwechselnd zugeschlagen

Ganz langsam löst sich die Starre des kleinen Jungen. Er reagiert wieder auf Schmerzen, sagt: "Aua", wenn er hinfällt.

Ganz langsam löst sich die Starre des kleinen Jungen. Er reagiert wieder auf Schmerzen, sagt: "Aua", wenn er hinfällt. Das kann er jetzt, nachdem er schon lange nicht mehr bei seinen Eltern, sondern im Heim lebt. Dort sagte Maik einer Betreuerin: "Papa hat geschlagen, und Mama hat gelacht." Die Richterin wiederholte im Prozess gegen Birgit und Emko R. diesen Satz. Ihr bohrender Blick ging von der Mutter zum Stiefvater und zurück. Als suchte sie nach Gefühlsregungen, nach einem Zeichen glaubhafter Einsicht, das bislang ausgeblieben war.

Nach drei Verhandlungstagen verhängte das Amtsgericht Tiergarten gestern gegen die 36-jährige Mutter wegen Misshandlung ihrer beiden Söhne sowie böswilliger Vernachlässigung der Fürsorgepflicht eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, gegen ihren 35-jährigen Ehemann drei Jahre und neun Monate Haft. Monatelang hatten Birgit und Emko R. den damals sieben Jahre alten Marcel, vor allem aber den fünfjährigen Maik geschlagen und gequält. Mit einem schwarzen Ledergürtel, der in der Weddinger Wohnung immer griffbereit lag. Manchmal mussten die Kinder stundenlang halbnackt in der Ecke eines Zimmers stehen. Maik reagierte schon nicht mehr auf Schmerzen, sondern schaltete ab.

Gleichgültig waren die Eltern aus Sicht des Gerichts. Als Maik nach Züchtigungen am Hinterkopf verletzt worden war, brachten sie ihn sechs Wochen lang trotz der 15 x 5 cm großen Wunde nicht zum Arzt. "Sie guckten beide zu, wie der kleine Junge mit einer Riesenwunde durch die Gegend läuft, wie sie sich entzündete", sagte die Richterin energisch. Böswillig hätten sich die Eltern nicht um den Jungen gekümmert. Erst als sich ein Stück Kopfhaut gelöst hatte, war Maik ins Krankenhaus gekommen.

Birgit R., Mutter von insgesamt vier Kindern, war in erster Ehe häufig Opfer von Gewalt. Das hinterließ Spuren, auch bei den Söhnen. "Je schwieriger die Kinder wurden, umso mehr wurde die Gewaltkiste ausgepackt", hieß es im Urteil. Die beiden Angeklagten hatten im Prozess Schläge zugegeben. Sie gehörten zum "Erziehungsstil". Die Verantwortung für Maiks Kopfverletzung hatten die Angeklagten aber zurückgewiesen. Zum Arzt sind sie nicht gegangen, weil sie angeblich keine Zeit hatten.

Vielleicht wäre das Urteil milder ausgefallen, wenn sich die Eltern wenigstens jetzt um Maik und Marcel bemühen würden. Doch sie nehmen nicht einmal ihr zweiwöchentliches Besuchsrecht wahr - angeblich haben beide, obwohl arbeitslos, keine Zeit.

K. G.

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