zum Hauptinhalt

Grausame Tötung durch Ehemann: Korangesänge für Semanur S.

Der Schock sitzt tief: Auch drei Tage nach dem grausamen Tod von Semanur S. kommen Menschen noch immer zum Ort des Geschehens, um der sechsfachen Mutter aus Kreuzberg zu gedenken. Einige brechen spontan in Tränen aus, manche singen Trauergesänge.

Die Korangesänge tönen aus einem Fenster in den Hof des Wohnblocks in der Köthener Straße in Kreuzberg, wie eine zarte Hülle legen sie sich über die Blumen, Kerzen und Beileidsbekundungen zum Tod von Semanur S., die hier am frühen Montagmorgen von ihrem Ehemann Orhan S. auf bestialische Art und Weise umgebracht worden war. „Das sind Korangesänge, die immer zu Trauerfeiern gespielt werden“, erklären zwei junge Muslima, die in der Nachbarschaft wohnen und auch am dritten Tag nach der Tat zum Trauern hergekommen sind.

Eine Frau – sie stammt aus einer anderen Ecke Kreuzbergs, wo viele Akademiker wohnen und die Mieten überproportional hoch sind – ist mit dem Fahrrad zum Tatort gefahren, um innezuhalten, und der getöteten Semanur S. zu gedenken. Hemmungslos bricht die Frau plötzlich in Tränen aus. „Es ist so schmerzvoll zu wissen, dass einer Frau solch eine brutale Gewalt angetan wurde“, schluchzt sie. Dabei spiele es keine Rolle, ob bei dem Täter eine paranoide Schizophrenie vorliegt. „Trotzdem musste eine Frau unter der Gewalt eines Mannes leiden und verlor dadurch ihr Leben“, sagt sie.

Die vier Söhne und zwei Töchter des Paares sollen erst einmal zusammen in einem Heim bleiben, über ihre Zukunft ist noch nicht entschieden. „Wir werden uns keinen Zeitdruck machen, sondern den Kindern die Zeit geben, die sie brauchen“, sagt die Bezirksstadträtin für Familie, Monika Herrmann (Grüne). Vorschläge, die Kinder zusammen in einem extra angemieteten Haus von muslimischen Erzieherinnen betreuen zu lassen, kritisiert Herrmann als voreilig. „Ob die Kinder zu ihren Großfamilien zurückkönnen, ob sie in eine Pflegefamilie kommen oder in einem Heim bleiben, ist erstmal zweitrangig. Zunächst müssen sie die Tat verarbeiten, das dauert Monate.“ Später würden dann die betreuenden Traumapsychologen beurteilen, was mit den Kindern im Alter zwischen elf Monaten und 13 Jahren geschieht.

Sehen Sie hier eine Bildergalerie zur Trauer um die Getötete:

Der Leiter der Väterinitiative „Aufbruch Neukölln“, Kazim Erdogan, wünscht sich, dass die Behörden nicht immer erst im Nachhinein tätig werden. Seiner Meinung nach hätten sie schon früher etwas tun müssen, als klar war, dass wegen der psychischen Krankheit Schizophrenie von Orhan S. eine Gefahr bestehen könnte. Der 32-Jährige war deswegen auch schon im Krankenhaus und nahm Medikamente ein, die er aber nach Aussagen der Nachbarn vor einigen Wochen abgesetzt hatte.

An Möglichkeiten zur psychologischen Betreuung dürfte es dem 32-Jährigen nicht gefehlt haben, sagt Stadträtin Herrmann. „Es gibt in Berlin Therapeuten und Psychologen, die Kurdisch und Türkisch sprechen können“, sagt sie. Für eine gute Betreuung der Patienten sei in erster Linie die Muttersprache wichtig, weniger die Religion. Auch Erdogan, der selbst Psychologe ist, sieht im Migrationshintergrund von Orhan S. kein Problem. Schließlich sei er in Berlin geboren worden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false