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Berlin: "Grease": Gesiegt, aber nicht gewonnen

Nur zwanzig Minuten, mehr Zeit ist nicht drin. Das ist nicht viel, um die komplizierte Schrittfolge zu lernen.

Nur zwanzig Minuten, mehr Zeit ist nicht drin. Das ist nicht viel, um die komplizierte Schrittfolge zu lernen. Jill Gorrie steht vorn, mit dem Gesicht zur Spiegelwand, in ihrem Rücken stehen 80 junge Frauen und schauen gebannt auf sie und ihre Beine. "Eins, zwei, drei" - die Vortänzerin trippelt über den gepolsterten Boden, sie hüpft, geht in die Knie, dreht zwei Pirouetten, Ausfallschritt rechts, Ausfallschritt links - "sechs, sieben, acht", und am Ende steht sie wieder in der Ausgangsposition. Die Frauen versuchen, sich alles zu merken, das Timing, die Bewegungen, den Ausdruck. Sie wollen es so machen wie Jill Gorrie, die sich Dance-Captain nennt. So heißt ihr Job im Musical-Geschäft. Und die Frauen, die so tanzen wollen wie sie, wollen den Einstieg in dieses Geschäft schaffen. Wenn sie gewinnen, wenn sie sich heute durchsetzen, dann könnte am Ende ein Tanz-Job im Musical "Grease" dabei herauskommen, das am 22. März im Schiller-Theater Premiere hat.

"Grease" ist ein Rock-Musical. Die Musik ist laut, und sie ist vor allem schnell. Deshalb gilt es nicht nur, sich in zwanzig Minuten die Schrittfolge zu merken, sondern auch, sie zur Musik zu tanzen. Als die CD zum ersten Mal erklingt, Jill Gorrie im Takt vormacht, wie es die Kandidatinnen auch können sollten, stehen einige Frauen kopfschüttelnd da. Die ersten packen ihre Taschen und verschwinden aus der Ballettschule in Charlottenburg. Dieser Job ist ihnen zu schwer.

Ein hartes Casting. Nach zwanzig Minuten riecht es nach harter Arbeit. Die Bewerberinnen schwitzen. Von den 60 Frauen und 20 Männern wird am Ende jeweils ein Kandidat ausgesucht. Die Gewinner. Und doch keine Gewinner. Dann haben sie noch immer keinen Job im Ensemble, aber immerhin ein Ticket für einen Flug nach New York. Dort wartet der Broadway, ein Hotelzimmer in Manhattan und ein weiteres Casting. Die beiden aus Berlin müssen sich dann wieder beweisen - diesmal gegen die Mannschaft aus Amerika, die mit "Grease" nach Berlin kommen wird. Erst wenn die beiden Berliner sich am Wochenende in New York noch einmal durchsetzen können, haben sie den Job: einen Platz im Ensemble.

"Unfair" mault einer der männlichen Kandidaten zum Procedere. "Alles eine Frage des Verkaufens", kontert Musical-Produzent Wolfgang Bocksch, der zusammen mit den Hauptdarstellern am Tisch sitzt und die Kandidaten mustert. "Ich verkaufe eine Show vom Broadway", erklärt er, und da ist Authentizität eben alles. Die Berliner sollen das Ensemble verstärken, und Bocksch stellt als Profi hohe Anforderungen.

Rebecca Rosenbauer geht damit ganz locker um. Gerade hat die 28-Jährige ihre Schrittfolge in einer Dreier-Gruppe vorgetanzt und sitzt jetzt mit ihrer Freundin am Tanzschulenboden. "Ich tanze seit meinem fünften Lebensjahr", erzählt sie, lächelt und gibt sich bescheiden: "Realistische Chancen rechne ich mir nicht aus." Erst recht nicht, seitdem sie weiß, dass es eine Produktion fürs Schiller-Theater ist: "Das ist eine riesige Bühne", sagt sie, schüttelt mit ihrer rechten Hand und verhaspelt sich: "das ist, ich meine, wow." Es ist eines ihrer ersten Castings: "Ich drücke mich immer davor, weil ich so viel Angst habe." Und das, obwohl sie aus einer Theaterfamilie stammt. Ihre Mutter leitet eine englischsprachige Bühne in Frankfurt/Main, seit drei Jahren lebt und tanzt Rebecca bei einer Showtruppe in Berlin. Und wenn sie doch ausgewählt würde? Rebecca lacht, "das wäre Wahnsinn."

Jetzt sind die Männer dran. Wieder gibt es nur zwanzig Minuten. Auch ihr Tanz-Parcours ist ebenso schnell wie schwierig. Es soll nach Rock aussehen, darf aber auch Elemente vom Streetdance haben. Vor allem aber gilt: Trotz aller Anstrengung müssen die Tänzer gut gelaunt und entspannt aussehen. Leicht gesagt. Luftsprünge, Drehungen und Grätschen, insgesamt ein gutes Dutzend Figuren in einer Schrittfolge, die auf der Bühne nur fünfzehn Sekunden dauert. Die Männer pusten. Jill Gorrie, der Dance-Captain, hat auch sie geschafft.

Am Ende hat es Hendrik Zietz geschafft, ein Profi, der schon oft auf der Bühne stand - und Rebecca Rosenbauer. Wow.

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