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Berlin: Grenzenlos gefährlich

Nach dem EU-Beitritt gelangen mehr illegale Polen-Böller nach Berlin, weil es weniger Kontrollen gibt

Immer mehr der gefährlichen so genannten „Polenböller“ können zu Silvester in Berlin auftauchen. Das befürchtet die Feuerwehr. Das Risiko, die illegalen Kracher nach Deutschland zu bringen, ist geringer geworden. Denn Polen ist mittlerweile in der EU, folglich gibt es kaum noch Kontrollen an der Grenze. In den Vorjahren hatte der Zoll an der tschechischen und polnischen Grenze jeweils tausende Raketen und Kracher beschlagnahmt. Das ist vorbei, jetzt gibt es nur noch sporadische Kontrollen auf der Autobahn, also hinter der Grenze. Im ganzen Monat November hat der Zoll nur einen „Treffer“ gelandet. Im Kofferraum eines Autos fanden die Beamten 30 Raketen aus Polen, sagte Zollsprecher Thomas Jansen.

„Unsere Kontrollmöglichkeiten sind geringer geworden“, so Jansen weiter. Da das Silvestergeschäft jetzt anlaufe, wolle man den Bundesgrenzschutz bitten, bei der Passkontrolle an der Grenze auch auf illegale Böller zu achten. Gestern kündigte der BGS zwar an, Böller- Schmuggler anzuzeigen – wenn sie denn erwischt werden. „Wenn die Raketenstiele bei Fußgängern aus der Plastiktüte ragen, drücken wir kein Auge zu“, sagte BGS-Sprecher Ivo Priebe. Was Priebe nicht offen sagen will: Wenn die Böller im Kofferraum liegen, werden sie auch nicht entdeckt. Nach Einschätzung des BGS hat der Schmuggel zugenommen.

Ausländische Böller sind in Deutschland verboten, weil sie unter das Sprengstoffgesetz fallen. Besonders berüchtigt sind die polnischen Produkte, die teilweise bis zu 50 Gramm Industriesprengstoff enthalten. Das reicht, um Telefonzellen zu zerstören – oder Hände und Finger abzureißen. Denn durch mangelhafte Verarbeitung und fehlende Sicherheitshinweise können selbst bei korrekter Anwendung schwerste Verletzungen verursacht werden, warnen Experten.

Doch das wissen viele Menschen nicht. Durch den EU-Beitritt Polens seien jetzt viele Menschen sogar der Meinung, dass in Polen gekauftes Feuerwerk auch in Deutschland erlaubt sei. Ist es aber nicht. Denn jedes Land hat seine eigenen Gesetze. Lutz Kurth von der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) erklärte, die Europäische Kommission bereite eine „Pyrotechnik-Richtlinie“ vor, die 2005 oder 2006 in Kraft treten solle.

Die BAM stellte gestern neue Kracher vor, die das Qualitätssiegel erhalten haben. Denn nur mit diesem Zulassungszeichen zum Beispiel „BAM – P II – 1912“ ist Feuerwerk in Deutschland erlaubt, und diese Packungen haben eine Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache.

Diese sollte genauestens beachtet werden, bat Feuerwehrchef Albrecht Broemme. Um Brände zu vermeiden, sollten schon jetzt Balkone und Dachterrassen entrümpelt werden. Denn viele der in der letzten Silvesternacht gezählten 717 Brände hatten Raketen auf Balkonen entzündet. Im Vorjahr sind in Berlin 3000 Tonnen Pyrotechnik abgebrannt – pro Kopf also ein Kilo. „Für Böller ist in Berlin offensichtlich immer Geld da“, sagt der Feuerwehrchef und bekennende Böller-Gegner. Broemme will das erste Bölleropfer dieses Jahres fragen, ob er bei der Aufklärungskampagne mitmachen will. Dem 17-Jährigen waren vor zwei Wochen bei der Explosion eines Eigenbaus zwei Finger abgerissen worden.

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