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Grieche

© Janina Guthke

Griechen in Berlin: "In Griechenland geht die Post ab"

Die Beziehungen zwischen Griechenland und Deutschland sind gestört – zumindest wenn man vielen Medien glaubt. Aphrodite mit dem Stinkfinger, die Siegessäule mit dem Hakenkreuz – wie fühlen sich Griechen in Berlin zurzeit?

„Wenn ich zum Mittagessen gehe, werde ich alle fünf Minuten nach Griechenland gefragt“, sagt Nikolaos Tsapatsaris. Die Fragen sind immer ähnlich: „Wie konnte das passieren, wie konnte Griechenland in so eine Situation geraten und vor allem, wie kommt es wieder heraus?“ Die Menschen würden dann von ihm eine Lösung erwarten, so der wissenschaftliche Mitarbeiter Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie in Berlin. Als könne er die so einfach liefern. An den Vorgaben der EU findet er an sich nichts Schlechtes: „Ich liebe Griechenland, aber es muss sich grundsätzlich etwas ändern“.

Für viele Griechen in Berlin sind die Medien in Griechenland und in Deutschland die wahren Schuldigen in dem angeblichen Streit zwischen den Ländern. Das regt auch Venia Skoulatos auf. „Die Medien sind nicht objektiv, sie übertreiben. So helfen sie uns ganz sicher nicht.“ Sie wisse nicht, warum die deutschen Medien so aggressiv reagieren würden. „Den Focus-Artikel fand ich furchtbar." Die Aphrodite mit dem Stinkefinger auf dem Cover des Münchner Magazins hat sie so richtig verärgert. Das Bild von der Siegessäule mit dem Hakenkreuz in der griechischen Presse sei an ihr vorbeigegangen.

Griechenland bittet um faire Darstellung

Parlamentspräsident Philippos Petsalnikos sieht das ähnlich. In einem offenen Brief im Stern warb er um Hilfe in der dramatischen Haushaltskrise seines Landes. Dabei gehe es aber nicht um Geld, sondern um Solidarität und um eine faire Darstellung der griechischen Probleme. Die Griechen wollten nicht von den Deutschen gerettet werden, schrieb Petsalnikos. „Nicht Euer Geld, sondern Eure Solidarität und Eure Unterstützung braucht Griechenland, um die Angriffe der internationalen Spekulanten abwehren zu können."

Wie Skoulatos seien viele Griechen vor allem wegen des Focus-Covers verärgert, erklärte ein Sprecher der Deutsch-Griechischen Gesellschaft in Berlin (DGGB). „Jetzt glauben viele, die Deutschen drehen auf. Aber das stimmt so auch nicht.“ Griechenland sei ein kleines Land, und ähnlich empfindlich wie die Schweiz oder Österreich, erklärte der Sprecher. Die Griechen in Deutschland würden eine Art Mittlerrolle für beide Seiten gedrängt. Manche entziehen sich dieser Rolle jedoch: Vicky Leandros stehe nicht für einen Kommentar zur Verfügung, erklärte die Sprecherin bereits bevor die Frage nach der Situation mit Griechenland gestellt ist.

"In Deutschland ist es noch recht ruhig"

Ob auf der Straße, in Restaurants oder in akademischen Kreisen Berlins, keiner behauptet, Griechenland sei unschuldig in die Krise geraten. Jetzt auch noch mit Forderungen aus der Nazizeit zu kommen, sei Irrsinn, sagt der Sprecher der Deutsch-Griechischen Gesellschaft. Doch Kriegsentschädigungen sind für viele kein abgeschlossenes Thema, sie stehen nur auf einem ganz anderen Blatt. So auch für Tsapatsaris: „Reparationszahlungen haben mit der jetzigen Situation nichts zu tun, das Geld würde nur verschleudert werden."

Fragen. Davon kann auch Michael Pantos von Olgas Feinkostladen in der Marheinekehalle ein Lied singen. „Viele Kunden kenne ich seit 20 Jahren. Die wollen dann von mir wissen, was passiert ist.“ Seine Antwort: „Natürlich hat Griechenland betrogen, aber an der jetzigen Situation trägt es nicht die alleinige Schuld." Einen Konflikt mit den Deutschen sieht er nicht, genauso wie auch Tsapatsaris. "Die Menschen wollen sich informieren, Vorwürfe machen sie uns keine." Vorwürfe könne man vor allem den Medien machen. Ein Kunde nickt und ruft über Oliven und gefüllte Artischockenherzen hinweg: "Erst die Schweinegrippe, jetzt braucht ihr doch bloß was neues." Ganz stimmt Pantos nicht zu. "Hier in Deutschland ist es noch recht ruhig. In Griechenland geht gerade die Post ab."

Janina Guthke

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