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Berlin: Grillen im Tiergarten

Von Elisabeth Binder Gustav Heinemann hätte wahrscheinlich seine Freude an dem Bild gehabt. Kurz vor Schluss des bürgerlichen Sommerfestes im Schloss Bellevue steht seine Enkelin Christina im vom vielen Plätze wechseln schon leicht zerknautschten türkisfarbenen Kostüm auf dem Rasen und blickt versonnen lächelnd auf das Feuerwerk, das zum Finale das Schloss illuminiert.

Von Elisabeth Binder

Gustav Heinemann hätte wahrscheinlich seine Freude an dem Bild gehabt. Kurz vor Schluss des bürgerlichen Sommerfestes im Schloss Bellevue steht seine Enkelin Christina im vom vielen Plätze wechseln schon leicht zerknautschten türkisfarbenen Kostüm auf dem Rasen und blickt versonnen lächelnd auf das Feuerwerk, das zum Finale das Schloss illuminiert. Am nächsten Morgen wird sie mit Bundespräsident Johannes Rau zu einer großen Asien-Reise aufbrechen, aber noch nimmt sich die Hausherrin Zeit für die Gäste aus allen Schichten; auch Staatssekretär Rüdiger Frohn frotzelt noch mit der grünen Haushaltsexpertin Antje Hermenau, die angesichts des Feuerwerks am renovierungsbedürftigen Schloss scherzhaft einen warmen Abriss mutmaßt.

Ein großer Lampionmond klebt im sternenklaren Sommerhimmel, in dem sich an diesem Abend Grillschwaden aus zweierlei zusammenrückenden Welten getroffen haben. Draußen sitzen die Türken in Campingstühlen und verzehren ihre Lammfleischspieße wie eh und je im Tiergarten. Im Schlossgarten vertauschen die geladenen Gäste die Kosmischen Theaterbänke, um frisch gegrillte Bratwürstchen zu naschen und dazu insgesamt 3000 Liter Bier zu trinken. Das Publikum war gut gemischt, wie es sich Gustav Heinemann einst vorgestellt hat, als er die Bürgerfeste erfand und seinen Garten nicht mehr nur für die Hardcore-Honoratioren öffnete, sondern für viele, die etwas tun im Lande und außerhalb.

So waren neben den Alt-Bundespräsidenten Walter Scheel und Richard von Weizsäcker New Yorker Polizisten gekommen. Wer, wie die Bild-Zeitung, rechtzeitig zum Christopher Street Day einen Skandal witterte, weil der Lebensgefährte des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit zunächst nicht mit in der ersten Reihe saß, mag später beruhigt registriert haben, dass er sich beim Bier am Präsidententisch wiederfand. Die Reservierung zur Eröffnung fehlte nur deshalb, weil für Jörn Kubicki keine Zusage vorlag. Die meisten Gäste widmeten sich anderen protokollarischen Problemen, zum Beispiel dem, was genau sommerliche Kleidung ist. Die war zum Anlass auf den Karten vorgeschlagen worden. Neben den Nationaltrachten dominierten helle Kostüme und lange, teils geblümte Kleider. Die Sponsoren haben seit dem Sommerfest vor drei Jahren, bei dem sie sich mit Plakatwänden noch offensiv in Szene setzten, offenbar ein Training in Sachen guter Geschmack absolviert und gaben sich angenehm zurückhaltend.

Von der Fremdheit zur Neugier, von der Neugier zur Erkenntnis über die ungeheure Vielfalt der Kulturen solle dieses Fest führen, hatte Bundespräsident Johannes Rau am Anfang gewünscht. Wladimir Kaminer berichtete von seinen multikulturellen Eindrücken und löste große Begeisterung aus, andere ließen sich von der musikalischen Weltreise der jungen Tenöre mitreißen.

Wenn es hinter der seidig-transparenten Sommernacht einen Himmel gibt, und man da herausgucken darf, dann hat Gustav Heinemann sicher sehr zufrieden gelächelt. Nicht nur wegen der Enkelin, sondern auch wegen des Ortes. Das Grillen im Tiergarten hat durchaus vielfältige integrative Aspekte.

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