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Berlin: Größte Hoffnung: Sicherheit

Alles ist fremd: die Sprache, die Mentalität, die Strukturen. Trotzdem sind Flüchtlinge froh, hier zu sein. Menschenrechtsbeauftragter Markus Löning besuchte ein Heim in Reinickendorf.

Am Eingang des Heims spielen ein paar Jungs Fußball, in Badelatschen. Einer von ihnen trägt ein Basecap: „I love Berlin“ steht darauf. Markus Löning (FDP), Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, trägt Anzug und lederne Schuhe. „Hey Jungs!“, begrüßt er sie im Vorbeigehen. Sie schauen verstohlen zurück.

Das Marie-Schlei-Haus am Eichborndamm in Reinickendorf war früher ein Seniorenheim. Heute leben darin knapp 200 Asylsuchende, darunter viele Kinder. Hier zeigt sich, wie der Alltag in Berliner Flüchtlingsheimen eigentlich aussieht: ruhig und weit unproblematischer jedenfalls, als es manche derzeit in Marzahn-Hellersdorf glauben machen wollen.

Der Tross um Löning hat an diesem Donnerstag im Speiseraum Platz genommen. Claudia Da Silva, eine blonde Frau Mitte dreißig, leitet die Einrichtung: „Unser Heim nimmt besonders Betroffene auf – Menschen, die gefoltert oder Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind. Letzte Woche ist ein Mann angekommen, 17 oder 18, vielleicht 19, der in Syrien mit ansehen musste, wie seiner Tante die Kehle durchgeschnitten wurde.“

Roni Jojo ist 30. Er hat dunkle lockige Haare und spricht fließend Deutsch. Vor neun Jahren kam er als Flüchtling aus Syrien. Gerade beendet er sein Studium in Berlin und dolmetscht regelmäßig für das Heim. Er weiß, wie es den Menschen geht, die hier ankommen: „Sie wissen überhaupt noch nichts, kennen keine Sprache, keine Mentalität. Die ganzen Strukturen sind ihnen fremd. Alles, was sie hoffen, ist, dass es hier sicher ist.“

Auch in Reinickendorf gibt es Bedenken, eine Bürgerinitiative macht gegen das Heim mobil. Ein Spielplatz wurde eingezäunt, um Füchtlingskinder fernzuhalten. Inzwischen bieten aber auch rund 80 Anwohner den Flüchtlingen regelmäßig ihre Hilfe an. Pensionierte Lehrer geben Deutschkurse oder betreuen Kinder bei den Hausaufgaben. Firmen bringen Spielzeug vorbei.

Löning sitzt jetzt mit einer syrischen Familie im Garten. Er fragt, woher sie kommen und ob sie noch Kontakt hätten zu ihren Familien. „Nein“, sagt eine Frau. „Wir wissen nichts von ihnen. Nur dass sie irgendwo in der Türkei sind und in Sicherheit.“ Der Mann neben ihr nickt: „Das Schlimmste ist, hier in Deutschland völlig allein zu sein und alles hinter sich gelassen zu haben – das Haus, die Arbeit, die Verwandten.“

Löning schweigt, hört zu. Dann fragt er, ob sie erzählen wollen, wie die Situation in Syrien jetzt ist und was sie dort erlebt haben. Der Mann schaut ihn fragend an, sieht zu Boden und ihm gleich darauf wieder ins Gesicht: „Was sollen wir antworten? Sie kennen doch die Bilder im Fernsehen. Die zeigen doch alles.“ Nur eins fügt er noch hinzu: „Bei uns wurden die Menschen nicht nur mit Pistolen getötet. Sie haben auch Messer genommen.“ An den Straßenlaternen vor dem Heim hängen Plakate von der NPD: „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma!“

Franz Allert, der Präsident des Berliner Landesamts für Gesundheit und Soziales, begleitet Löning im Reinickendorfer Heim. „Im Grunde unterscheidet sich auch Hellersdorf in kaum etwas von anderen Heimen“, sagt er. „Nur hat die NPD dort das Haus für sich zum Thema gemacht, und Pro Deutschland ist auf diesen Zug mit aufgesprungen. Mit den Kundgebungen kamen dann die Gegendemonstranten und mit denen die Polizei und die Medien.“

So sei Hellersdorf zum politischen Aufreger geworden und zum Medienereignis, über das bundesweit berichtet wurde. Obwohl es von Anfang an weitaus mehr Befürworter als Gegner des Heims gab. „Deswegen ist es auch keine Phrase, wenn jetzt gesagt wird, man müsse schnellstmöglich einen Dialog schaffen zwischen den Anwohnern und den Flüchtlingen“, sagt Allert. „Die meisten Sorgen erledigen sich dann schnell von selbst.“

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