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Die Aufregung um Martin Schulz drückt die Stimmung in den Berliner Parteibüros der SPD.

© Tobias Schwarz/AFP

Groko und Schulz-Rückzug: Berlins SPD zwischen harscher Kritik und Mitleid

Wegen der Verwirrung an der SPD-Spitze schlägt die Stimmung in den Berliner Parteibüros um. Für manche steht der schwierige Direktkontakt zu den Bürgern noch bevor.

Von Markus Lücker

Swen Schulz kommt gerade aus der Kälte. Der SPD-Bundestagsabgeordnete für Spandau hat den Samstagvormittag damit verbracht, sich an einem Infostand den Berliner Bürgern zu stellen. Mit Wut war zu rechnen – über die Verwirrungen um Martin Schulz, Personaländerungen und die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen.

Auch Irritation oder Angst wäre vorstellbar gewesen. Wie soll es weitergehen, Herr Abgeordneter? Was wird nun aus der Groko? Stattdessen gab es die Höchststrafe für Swen Schulz: Mitleid. „Kritisiert werden ist ja okay. Das sind wir gewöhnt. Aber Mitleid ist echt bitter“, beschreibt Schulz den Morgen. „Man will als Politiker nicht bemitleidet werden.“

Eigentlich würde er ja gerne inhaltliche Debatten führen. In ganz Berlin sind aktuell SPD-Abgeordnete unterwegs. Juso-Chef Kevin Kühnert hat am Freitag im sächsischen Pirna seine Deutschlandtour gegen die große Koalition gestartet. All das werde jetzt aber durch Personalfragen überlagert. „Und da kann ich dann an unserem Infostand auch nichts erklären. Ich bin ja selber fassungslos. Was soll ich da herumschwurbeln?“

Daniel Buchholz ist SPD-Fraktionsmitglied im Abgeordnetenhaus. Mit der Bundesebene hat er normalerweise nicht viel zu tun. Trotzdem häufen sich bei ihm aktuell die Mails. Täglich schauen Menschen in seinem Bürgerbüro vorbei. Mal ist es einer, mal ein halbes Dutzend. „Denen ist das natürlich berechtigterweise egal, ob nun Landespolitik oder Bundespolitik an der Tür steht. Die sehen das SPD-Schild und dann muss man sich den Meinungen stellen“, sagt Buchholz.

Schon in den Wochen vor dem Ärger um das Groko-Ergebnis und die Scharade in der SPD-Spitze musste Buchholz viel erklären: „Die Menschen sind erschrocken über den desolaten Zustand der Partei.“ Und meistens würden die Leute ihm gegenüber nicht so nette Worte für ihre Kritik wählen.

Ja oder Nein zur großen Koalition

In der letzten Woche hatte Buchholz Ruhe, weil sein Bürgerbüro über die Winterferien geschlossen ist. Die große Empörung über den Abtritt von Martin Schulz wird er erst ab Montag zu spüren bekommen. Dann trifft sich auch der SPD-Landesvorstand. Der hat sich bereits in der Vergangenheit äußerst kritisch gegenüber der großen Koalition gezeigt. Im Januar stimmte der Berliner Vorstand intern darüber ab, ob die SPD überhaupt Koalitionsverhandlungen aufnehmen sollte. Acht waren dafür, 21 sprachen sich gegen Verhandlungen aus.

Laut Buchholz standen damals große ideologische Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, „aber mittlerweile könnten noch einer oder zwei ins Nein–Lager gewechselt haben.“ Zwar hat auch Buchholz damals für Nein gestimmt, „ich trage da aber zwei Herzen in meiner Brust.“ Dementsprechend schwer falle es ihm, den Bürgern Antworten auf ihre Fragen zu geben.

Einerseits fehlen ihm wichtige Punkte in den Verhandlungsergebnissen, andererseits könne er sich auch Schlimmeres als eine Zusammenarbeit mit der CDU vorstellen. Bei Neuwahlen würde die AfD wahrscheinlich umso mehr von der aktuellen Schwäche der SPD profitieren.

Buchholz’ Einschätzung nach halten viele Berliner am Modell Mitgliedsentscheid zum Koalitionsvertrag fest. „Wir bekommen durchaus Lob dafür, dass wir da standhaft sind“. Genauso gebe es aber auch Stimmen, die in die entgegengesetzte Richtung gehen: „Wie könnt ihr da als SPD alleine drüber entscheiden?“ Auch Swen Schulz bemerkt ein gespaltenes Verhältnis der Menschen zum Mitgliederentscheid.

Für andere steht der direkte Bürgerkontakt erst noch bevor. Die als Bundesministerin für Arbeit und Soziales angedachte Eva Högl veranstaltet am Dienstag einen Stammtisch in Wedding über den Koalitionsvertrag. Außerdem ist da noch die Pro-Groko-Werbetour von Martin Schulz und Andrea Nahles. Die soll am 17. Februar in Niedersachsen starten – falls sich bis dahin nichts ändert.

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