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Berlin: Gropius-Bau: Die Göttin Kali am Boden zerlegt

Athene macht gewissermaßen das Licht aus. Weil die Statue in keinen Aufzug und durch keine Tür passt, muss sie mit einem Kran durch die Fenster des Martin-Gropius-Baus gehievt werden.

Athene macht gewissermaßen das Licht aus. Weil die Statue in keinen Aufzug und durch keine Tür passt, muss sie mit einem Kran durch die Fenster des Martin-Gropius-Baus gehievt werden. "Das verändert das Klima im Gebäude", sagt Gereon Sieverich, Leiter der Ausstellung "Sieben Hügel". Der Athene macht die kalte Novemberluft nichts aus, die anderen 2000 Kunstwerke werden das Haus dann aber schon verlassen haben.

Sieverich kennt die Ausstellung wie kein anderer. Drei Jahre benötigte der Ethnologe und Kulturhistoriker, die teuerste Berliner Ausstellung aller Zeiten - sie hat 28 Millionen Mark gekostet - vorzubereiten. Viereinhalb Monate lang blieb die Schau geöffnet, zog rund 400 000 Besucher an. Seit dem 30. Oktober, kurz nach Mitternacht, werden die "Sieben Hügel" abgetragen. Restauratoren, Kuriere, Bauarbeiter bevölkern nun den Gropius-Bau. Die Museumswärter, die inmitten der Baustelle nach wie vor auf ihren Stühlen sitzen, wirken noch verlassener als zuvor. Aber auch dem Macher der Ausstellung wird es beim Gang durch die Räume schwer ums Herz. "Es ist traurig, wenn uns jetzt alle diese schönen Dinge verlassen."

Es wandelt sich nicht unbeschwert durch die Reste der "Sieben Hügel". Es ist düster in den Räumen, mal kommt das Licht gedämpft von unten, dann von der Seite. "Gehen Sie niemals rückwärts, überall steht etwas. Achten Sie auf Ihren Kopf, überall hängt etwas", sagt Sievernich. Die chinesischen Grabfiguren ("Kamel mit Reiter und Kamelknecht") sind noch da, die Vitrinen daneben bereits ausgerämt. "Die Kathedrale des Wissens", das Stahlgerüst im Lichthof haben Bauarbeiter mit einem Gerüst verkleidet, um es abzubauen. Das Kunstwerk hatte James-Bond-Architekt Ken Adam für die Ausstellung entworfen, jetzt wird es recycelt.

Für die Ewigkeit war auch die Einrichtung des "Weltraums" nicht gedacht, doch das Jugend- und Freizeitzentrum FEZ fand Gefallen an der Installation. Und was haben die Säulen, Vitrinen samt dunkelblauen Wänden gekostet? "Sie bauen selber ab", sagt Sievernich, der seit 1978 für die Berliner Festspiele als Kulturmanager arbeitet. Die "Weltmusikkarte" erhält das Ethnische Museum Berlin, die Delphin-Installation geht an das Museum für Naturkunde. Das Stadtmuseum Berlin bekommt mehrere Vitrinen. Die meisten Stücke gehen allerdings zurück an die Leihgeber: Museen, Galerien und Sammler aus Berlin, Europa, Amerika und Japan. Wie beispielsweise das Modell von Notre-Dame de Paris, das gerade im Erdgeschoss verpackt wird.

"Unglaublich, einzigartig dieses Modell", sagt die Restauratorin. Innen ist das Modell komplett eingerichtet wie im Jahre 1843, man sieht winzige Gemälde, Säulen, Skulpturen im Innern. Das Modell - Versicherungswert 135 000 Mark - wird an die französische Denkmalsorganisation zurückgeschickt. Zum Aus- und zum Einpacken ist einer ihrer Restauratoren extra aus Paris angereist, ein freundlicher Mann mit weißem Haar. "Der Kurier", sagt Sievernich.

Nebenan gehen die Experten noch umsichtiger zu Werke: Bei gedämpftem Licht und mit Latex-Handschuhen trägt Ernst Bartelt - Papier-Chefrestaurator - eine alte Handzeichnung in seine Liste ein. Über 200 Jahre ist das Büchlein in seinen Händen alt, 200 000 Mark ist es der Versicherung wert. "Im Raum des Wissens hatten wir kostbarste Handschriften", sagt Bartelt. Sein Kollege - der Gemälde-Chefrestaurator - findet keine Zeit für ausführliche Erklärungen. "Ich habe oben einen Kurier", entschuldigt er sich im Vorübereilen.

Das Rückwärts-Geh-Verbot gilt auch im Depot, für die geliehenen Kunstwerke, die letzte Station im Erdgeschoss des Gropius-Baus. Kisten lehnen an den Wänden. "Verpackt / Packed", steht auf einem gelben Aufkleber. Das Format des Holzpakets lässt auf ein Gemälde schließen, die Adresse ebenso: San Francisco, Museum of Modern Art. Die astronomische Tischuhr von 1580 (300 000 Mark Versicherungswert) gehört dem Deutschen Historischen Museum, das Zenit-Teleskop von 1825 und der Seismograph dem Geoforschungszentrum Potsdam.

"Es war schwierig, das alles zu bekommen", sagt der Sieben-Hügel-Chef. Mit "Überredungskunst und vielen, vielen Briefen" habe man manchen Leihgeber bearbeiten müssen.

Dann zieht es den Ausstellungsmacher erneut durch die Gänge. "Ach, hier ist schon so viel weg!", ruft er in die Stille. "Da kommen einem ja die Tränen!" Die Göttin Kali aus Kalkutta, einst eine interaktive Installation, liegt in ihre Einzelteile zerlegt am Fußboden.

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