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Berlin: Große Koalition? Wenn’s denn sein muss

Bildungspolitik als Ländersache – das liegt den Berliner Sozialdemokraten schwer im Magen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wer Kröten schlucken muss, bekommt Bauchschmerzen. Die Führung der Berliner Sozialdemokraten traf sich am Freitag eigens zu einer Vorstandssitzung, um zu prüfen, ob die große Koalition im Bund überhaupt magenverträglich ist. Am Ende war man sich einig, dass die 14 Delegierten, die am Montag zum SPD-Bundesparteitag nach Karlsruhe reisen, dem ausgehandelten Koalitionsvertrag zustimmen können. Wenn auch ohne große Begeisterung.

„Ich sehe Licht und Schatten“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz gestern. Er ist kein Delegierter, führt aber die kleine Landesgruppe der Berliner SPD im Bundestag an. Zwar habe seine Partei in den Koalitionsgesprächen mehr Geld für Bildung und Forschung durchgesetzt und das BaföG verteidigt, aber die Verlagerung fast aller bildungspolitischen Kompetenzen in die Länder sieht Schulz „sehr kritisch“. Auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Lockerung des Kündigungsschutzes seien schwer erträglich.

Bildung als Ländersache – das ist für viele Sozialdemokraten in Berlin ein echtes Problem. Für die linke Bundestagsabgeordnete und Parteitagsdelegierte Mechthild Rawert, aber auch für den Treptow-Köpenicker SPD-Kreischef Karlheinz Nolte, ein Exponent der Parteirechten. Man tröstet sich damit, dass die Föderalismusreform erst noch die Hürden des Bundestages nehmen muss.

Bei der Mehrwertsteuer, die auf 19 Prozent angehoben wird, scheiden sich in der Landes-SPD die Geister. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat diese Entscheidung öffentlich verteidigt, zumal damit mehrere hundert Millionen Euro jährlich in die Landeskasse kämen. Die SPD-Linken sind eher dagegen; immerhin wäre eine „Reichensteuer“ für sie ein Trostpflästerchen. Die Rechten, organisiert im „Britzer Kreis“, können damit besser leben. Zumal dann, wenn der neue Geldsegen zur Senkung der Lohnnebenkosten beiträgt.

Und sonst? Wie steht’s mit der Gesundheits- und Rentenpolitik, mit HartzIV und der Familienpolitik? „Ich sehe mich noch nicht in der Lage, die Verhandlungsergebnisse zu beurteilen“, sagte stellvertretend für viele Genossen der Neuköllner SPD-Kreischef Fritz Felgentreu. Der Landesvorstand erfuhr am späten Nachmittag via Nachrichtenagentur, dass die Koalitionsgespräche beendet sind. Übers Wochenende werden die Delegierten für den Bundesparteitag viele Papiere lesen. Manche hoffen, dass die große Koalition im Bund nicht denselben Fehler macht wie CDU und SPD in den neunziger Jahren in Berlin: Keinem weh tun und sich möglichst wenig festlegen.

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