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Berlin: Große Nummer

AUFTRITT DER WOCHE Sängerin Beth Ditto sind die Normen des Musikgeschäfts ziemlich egal. Mit ihrer Band Gossip tritt sie in der Zitadelle auf

Es kündigte sich mit ein paar schüchtern züngelnden Flammen an, dann gab es einen lauten Knall, Beth Dittos Stimme überschlug sich und die Bühne versank in einem Meer aus Funken und Lichtblitzen: Die pyrotechnisch wie stimmlich beeindruckende Show von Gossip war einer der Höhepunkte der diesjährigen Echo- Preisverleihung im März auf dem Messegelände unterm Funkturm. Keine vier Minuten dauerte der Auftritt, und als die letzten Takte von „Heavy Cross“ vorbei waren, da tippelte die schwergewichtige Frontfrau der Band auf ihren High Heels das Spalier der ihr entgegen gereckten Hände ab, bedankte sich kurz beim begeisterten Publikum und verschwand auch schon hinter der Bühne. Ein Auftritt wie ein Wirbelsturm, der alles, was vorher war, plattmachte.

Wer das Konzert der US-Rockband am kommenden Mittwoch in der Zitadelle in Spandau besucht, wird viel Energie und Durchhaltevermögen benötigen. Die Shows von Gossip sind eine schweißtreibende Angelegenheit, so sehr, dass sich Ditto selbst im Laufe des Abends gerne eines Teils ihrer Sachen entledigt. So geschehen auf ihrem ausverkauften Berlin-Konzert im vergangenen Dezember in der Columbiahalle. Da riss sich Ditto irgendwann das Minikleid vom fülligen Leib und absolvierte den Rest des Auftritts im knappen Mieder. Dabei wurde sie frenetisch bejubelt, obwohl so viel Freizügigkeit im Popgeschäft nichts Neues ist. Ungewohnt ist jedoch, dass sie von einer Person zelebriert wird, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht. Will da jemand bewusst auf die Lächerlichkeit der Codes und Normen hinweisen, die seit Jahren im Musikgeschäft gelten?

Tatsache ist, dass bei Beth Ditto, 29, alles etwas größer ist, als man es von Popstars bislang gewohnt war: die Stimme, das Ego, die Konfektionsgröße. Das war schon so, als sie im Jahr 1999 die Band mit zwei Freunden gründete. Aus Langeweile, wie sie später in einem Interview erzählte. Noch im selben Jahr erschien eine EP, das erste Album in voller Länge folgte zwei Jahre später. Der große Durchbruch gelang dem Trio jedoch erst im Jahr 2006, mit „Standing in the Way of Control“. Die Platte erreichte in Großbritannien Gold, und Beth Ditto, die sich offen zu ihrer Homosexualität bekannte, Kultstatus. Die britische Musikbibel „NME“ ernannte sie zur „coolest person in Rock“.

Seither steigt ihre Popularität stetig. Vor allem, seit sich Ditto nackt ablichten ließ für das Cover des britischen Modemagazins „Love“, das sie zur Ikone ihrer Generation kürte. Mittlerweile zählt Designer Karl Lagerfeld, einer der berüchtigtsten Magerwahndiktatoren, zu ihren glühenden Verehrern und Model Kate Moss, die einst den ausgemergelten Heroin-Chic salonfähig machte, zu einer ihrer besten Freundinnen. Nur Ditto selbst scheint sich wenig aus dem ganzen Hype zu machen. Sie befürchtet lediglich, dass der Ruhm ihr Liebesleben zerstören könnte, weil kaum mehr Zeit bleibt für ihren transsexuellen Freund Freddie.

Einen Tag nach der Berliner Echo-Verleihung im März flog Beth Ditto wieder heim nach Portland. Vor dem Check-in am Flughafen steuerte sie noch schnell einen Burgerladen an, außer von einem Paparazzo wurde sie von niemandem bemerkt und erkannt. Vielleicht wirkte sie in diesem Moment gerade deshalb so entspannt. Einmal nicht im Mittelpunkt stehen, einmal die Ruhe genießen – ein Ziel, von dem Ditto wohl niemals gedacht hätte, dass es eins sein könnte, als sie ihre Band vor elf Jahren aus Langeweile gründete.

Mittwoch, 19 Uhr, Zitadelle Spandau, Tickets 37 Euro

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