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Berlin: Großer Bahnhof, kleine Auslastung

Die gläserne Röhre ist der teuerste Neubau der Bahn Doch in anderen Städten halten mehr Fernzüge

Jetzt ist es auch von außen zu erkennen: Berlin hat einen neuen Hauptbahnhof. Metergroß prangt der Schriftzug nun auch an der Fassade des gläsernen Gebäudes, das am 27. Mai offiziell eröffnet werden soll. Einen Tag später, zum Fahrplanwechsel, werden dann auch Züge in der neuen Station halten. Berlin besitzt dann den wohl teuersten Bahnhof, den die Bahn jemals gebaut hat. Mehr als 700 Millionen Euro sind am Standort des früheren Lehrter Bahnhofs investiert worden. Der wichtigste Bahnhof im Netz der Bahn ist damit aber nicht entstanden.

Der Hauptbahnhof wird in den nächsten Jahren bei weitem nicht ausgelastet sein, das gibt auch Bahnchef Hartmut Mehdorn zu. Um Leben in den Bau zu bringen, lässt er nach der Eröffnung des Hauptbahnhofs bekanntlich keine Fernzüge mehr im Bahnhof Zoo halten. Offiziell begründet die Bahn den Verzicht auf den Stopp der Züge im Westen der Stadt damit, dass die meisten Reisenden so vier Minuten Fahrzeit sparten. Etwa 160 Fernzüge werden nach Angaben der Bahn am Anfang im Hauptbahnhof halten – weniger als zum Beispiel in Köln (175), Hamburg (191) oder Frankfurt am Main, wo es laut Bahn-Statistik sogar 342 sein sollen. Ob die Bahn allerdings die Zahl ihrer Züge überall richtig zählt, ist zweifelhaft. Für den Bahnhof Zoo nennt die offizielle Statistik nämlich 206 Fernzüge pro Tag, während es am Ostbahnhof, wo die meisten dieser Züge ebenfalls halten, nur 130 sein sollen.

Mit Zahlen hat die Bahn auch in den vergangenen Jahren am Hauptbahnhof jongliert. Mehrfach hat sie einen Eröffnungstermin ganz fest verkündet und dann doch wieder verschoben – vom Jahr 2000, über 2004 schließlich zu 2006. Um Bauzeit – und Kosten – zu sparen, ließ Bahnchef Hartmut Mehdorn auf Empfehlung seiner Ingenieure das gläserne Dach verkürzen: von geplanten 430 Metern auf nur noch 321 Meter. Bei einem langen ICE werden nun die Fahrgäste der ersten Klasse bei Regen nass.

Die Rechnung ging allerdings nicht auf. Die in Einzelanfertigung hergestellten Scheiben sowie die Stahlträger waren komplett produziert und bezahlt; sie lagern jetzt nutzlos am Ostbahnhof. Und auch die Umplanung für das verkürzte Dach war teuer. Zahlen dazu nannte die Bahn vorsichtshalber nicht. Weil die Arbeiten am Dach wegen der neuen Planung mehrere Wochen lang ruhten, hat man auch an der Bauzeit so gut wie nichts gespart. Dafür sieht der Bahnhof, der mit der langen Halle und den quer darüber liegenden Bürogebäuden nach dem Willen der Architekten Gerkan, Marg und Partner ein Wahrzeichen der Stadt werden sollte, nun irgendwie unproportioniert aus.

Wie teuer der Hauptbahnhof am Ende wird, könnte auch ein Prozess entscheiden. Um Kosten zu sparen, hat die Bahn im unterirdischen Teil statt der von den Architekten geplanten Gewölbedecke eine einfache Flachdecke einbauen lassen. Dagegen klagen die Architekten.

Mehdorn sagt, die Welt werde Berlin um den schönen Bahnhof beneiden und eines Tages werde auch die Kapazität ausgenutzt. Man habe schließlich für die Zukunft gebaut.

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