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Berlin: Grün und Gelb ziehen sich nicht an

Statt die Ökopartei zu wählen, blieb die FDP-Klientel lieber zu Hause

Von Sabine Beikler

Sie wollten gegenseitig Wählerstimmen abziehen und umgarnten im Wahlkampf die bürgerliche Klientel. Genützt hat das aber nicht: Weniger als erwartet wandten sich die FDP-Wähler den Grünen zu – und umgekehrt. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes „Infratest dimap“ im Auftrag der ARD wanderten nur 4000 Stimmen von den Liberalen zu den Grünen – im Gegensatz zu 10 000 PDS- und 15 000 SPD-Stimmen, die sich den Grünen zuwandten. Der Großteil der klassischen FDP-Wähler entschied sich dafür, gar nicht zu wählen: 26 000 liberale Stimmen – und das ist der höchste Wert für eine Partei – wanderten schlichtweg ins Nichtwählerlager.

Die Grünen machten im Wahlkampf potenziellen FDP-Wählern das eindeutige Angebot: Wenn ihr uns mit unseren „liberalen Elementen“ wählt, wie Grünen-Spitzenkandidatin Franziska Eichstädt-Bohlig sagte, habt ihr zumindest die Chance auf die Umsetzung von Inhalten in einer Regierungsverantwortung. Eichstädt-Bohlig habe das „sehr geschickt“ gemacht, sagt Richard Stöss, Parteienforscher an der Freien Universität. Beim Thema Privatisierung von landeseigenen Unternehmen forderten die Grünen „Teilprivatisierungen“ wie bei der BVG. Nach der Wahl heißt es wieder weicher formuliert: „mehr Wettbewerb“, wie Eichstädt-Bohlig am Montag sagte.

Die Grünen bezeichnen sich selbst als urbane Metropolenpartei. Ihre Klientel zählt zu den „Realos“: jung, gebildet, gut situiert. Viele gehören zu den „Postmaterialisten“: Menschen, die Parteien mehr nach Werten wie Frieden, Demokratie, Nachhaltigkeit, Generationengerechtigkeit wählen und sich weniger nach steuerpolitischen Aspekten für eine Partei entscheiden – wie viele FDP-Wähler dies tun. Grüne Wähler in der Stadt legen Wert auf Lebensqualität, also auch auf Ökologie und Umweltschutz. In insgesamt 15 Wahlkreisen erreichten die Grünen mehr als 15 Prozent. Diese Zuwächse haben sie vor allem in Kreuzberg, Pankow und Friedrichshain erzielt. All diese Wahlkreise liegen im inneren Stadtgebiet.

Die FDP wiederum konnte mit ihrer kompromisslos ausgerichteten Finanz- und Konsolidierungspolitik diese Wähler nicht erreichen. Sie hatte Stimmenrückgänge in den bürgerlichen Teilen im Westteil der Stadt zu verzeichnen, wie 5,1 Prozent in Charlottenburg-Wilmersdorf oder 4,1 Prozent in Steglitz-Zehlendorf. Da die klassisch neoliberale Stammwählerschaft allerdings auch „keine echte Machtperspektive“, wie FDP-Landeschef Markus Löning sagte, vor Augen hatte, blieb sie der Wahl dann lieber ganz fern.

Dennoch sollte die FDP ihre Politik nicht ändern. Ihr Markenzeichen sei nun mal eine „Politik der sozialen Kälte“, sagt Parteienforscher Stöss. Wenn sie diese aufgebe, sei ihr Profil womöglich gar nicht mehr erkennbar.

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