zum Hauptinhalt

Berlin: Grüne Gewinne verblüfften die Statistiker

Die SPD ist in keinem Bezirk mehr stärkste Partei. Neue Hochburg der Öko-Partei in Prenzlauer Berg

Am Wahlabend wollten die Statistiker ihrer Technik zeitweise nicht mehr recht trauen. Zuwächse von mehr als 30 Prozent in ausgewählten Wahlkreisen für die Grünen machten den Landeswahlleiter skeptisch. Gestern Vormittag stand das Ergebnis jedoch fest. Die Grünen lagen bei der Europawahl mit 22,7 Prozent und einem Zuwachs von 10,2 Prozentpunkten erstmals vor der SPD – das beste Landesergebnis in ihrer Geschichte. In drei Bezirken wurden die Grünen stärkste Kraft. In Friedrichshain-Kreuzberg kamen sie auf 42,7 Prozent. Auch in Mitte und Pankow erhielten die Grünen die meisten Stimmen. In manchen Wahlkreisen von Mitte verbuchten sie Zuwächse von mehr als 20 Prozent. Laut dem stellvertretenden Wahlleiter Horst Schmollinger hat die Partei in Prenzlauer Berg eine „neue Hochburg“. Hier wählten bis zu 37 Prozent mehr Wähler als vor fünf Jahren grün. Auch im alten Bezirk Schöneberg erreichten die Grünen mehr als 40 Prozent. Das Ergebnis führen die Statistiker auf gleichermaßen hohe Zuwächse in Ost und West zurück. Es sei der Partei gelungen, „außergewöhnlich viele“ Nichtwähler zu mobilisieren, sagte Schmollinger. Die Grünen punkteten vor allem bei den 25- bis 35-Jährigen, aber auch unter 35- bis 50-Jährigen.

Stärkste Partei in Berlin wurde die CDU, erreichte mit 26,4 Prozent jedoch ihr schlechtestes Wahlergebnis seit der Wiedervereinigung. Vor allem an die FDP und die sonstigen Parteien gingen Stimmen über. Im Osten gingen viele CDU-Anhänger nicht zur Wahl. Hier kam die CDU auf 14,3 Prozent und wurde nur vierte Kraft. In Friedrichshain-Kreuzberg, wo die CDU traditionell einen schweren Stand hat, erreichte die Partei mit 11,3 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in Berlin. Vor allem junge Leute stimmten wenig für die CDU. Der Wahlsieg ist den Statistikern zufolge allein auf einen konstanten Zuspruch im Westen zurückzuführen. Die SPD erreichte mit 19,2 Prozent ihr Wahlergebnis einen historischen Tiefstand. In keinem der Berliner Bezirke wurde sie mehr stärkste Partei. Sie verlor ihre Wähler nach Angaben der Statistiker an die sonstigen Parteien, viele ihrer Anhänger gingen aber auch nicht zur Wahl. Die FDP verdoppelte im Vergleich zur EU-Wahl 1999 ihren Stimmenanteil.

Die PDS erreichte im Vergleich zur Bundestagswahl 2002 eine leichte Stabilisierung. Im Westen ist die PDS weiter bedeutungslos. Hier stimmten nur 3,5 Prozent für die Partei, wo sie vor allem Jüngere erreicht. Im Osten Berlins ist die PDS jedoch die mit Abstand dominierende Partei. Sie erreichte dort einen Stimmenanteil von 33,5 Prozent, vor allem unter alten Leuten. In Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf erreichte sie mehr als 40 Prozent. Ein ungewöhnlich hoher Stimmanteil entfiel auf die sonstigen Parteien, die auf 12 Prozent kamen. Rechtsgerichtete Parteien spielten dieses Mal für den Wahlausgang keine Rolle. Mit 38,6 Prozent sank die Wahlbeteiligung im Vergleich zur Europawahl vor fünf Jahren um 1,3 Prozentpunkte und erreichte den tiefsten Stand aller Berliner Wahlen nach 1945. Vor allem jüngere Menschen gingen nicht zur Wahl.

Thorsten Wiese

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false