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Berlin: Grüne: Mehr als drei Nebenjobs kann kein Senator stemmen

Rechtsexperte Benedikt Lux will Zahl der Aufsichtsratsposten begrenzen Europaweit wird über eine Reduzierung der Mandate diskutiert.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das Flughafen-Desaster, die Howoge-Affäre, früher der Bankenskandal – immer dann, wenn etwas schiefläuft bei den öffentlichen Unternehmen, wird gefragt: Sind die Politiker damit überfordert, die Beteiligungen des Landes Berlin zu kontrollieren? Der Grünen-Rechtsexperte Benedikt Lux schlägt nun vor, die Zahl der Aufsichtsratsmandate für Senatsmitglieder auf drei zu beschränken. Sonst bleibe, wegen der Mehrfachbelastung, zu wenig Raum für die Regierungsgeschäfte. Oder eben zu wenig Zeit für die Kontrolle der eigenen Unternehmen.

Lux greift damit eine alte Debatte wieder auf. Schon vor zwei Jahren beantragte die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, „die Anzahl von gleichzeitigen Aufsichtsratsmandaten von derzeit zehn auf maximal drei zu beschränken“. Außerdem müssten die Aufsichtsräte besser und regelmäßig fortgebildet werden. Im Parlament signalisierten damals alle Fraktionen Sympathie für den Vorschlag, trotzdem wurde der Antrag abgelehnt. Schon 2008 hatten die Grünen gefordert: „Fünf Aufsichtsratsmandate pro Person sind die Grenze, bis zu der noch gewährleistet werden kann, dass ein Mandat verantwortungsvoll wahrgenommen wird.“ Auch diese Initiative blieb folgenlos.

Und so geriet das Thema wieder in Vergessenheit. In jüngster Zeit wurde hauptsächlich darüber gestritten, ob die Kontrollgremien staatlicher, aber auch privater Unternehmen nicht mehr Frauen vertragen könnten. Nach aktuellem Stand sind 35 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder in den Berliner Landesunternehmen weiblichen Geschlechts. Über die Qualifikation und Leistungsfähigkeit der Kontrolleure sagt dies allerdings nicht viel aus. Aber die dritte Verschiebung des Eröffnungstermins für den Flughafen „Willy Brandt“ in Schönefeld warf erneut die Frage auf: Sind die Aufsichtsräte, vor allem jene in Regierungsverantwortung, mit ihren Aufgaben überfordert?

Diese Frage wird übrigens nicht nur in Berlin gestellt. Über das Grünbuch der EU-Kommission für einen „Europäischen Corporate Governance-Rahmen“ diskutieren Rechtsexperten und Manager seit Frühjahr 2011. Der Bundesrat regte ein halbes Jahr später in einem Beschluss an, die im Grünbuch vorgeschlagene Begrenzung der Anzahl gleichzeitig wahrnehmbarer Kontrollmandate „auf maximal drei als allgemeine Vorgabe zu übernehmen“. Die Bundesregierung hält von einer „abstrakten Begrenzung“ allerdings nichts.

Auch Wissenschaftler an den Universitäten von Hamburg, Frankfurt/Main und Köln, die sich mit dem Thema befassten, kamen nicht auf einen Nenner. Eine Begrenzung auf drei Mandate sei zu streng; die geltende Regelung (höchstens zehn Mandate, Aufsichtsratsvorsitze zählen doppelt) habe sich bewährt, heißt es in einer Stellungnahme des Instituts für Gesellschaftsrecht an der Uni Köln. Das Hamburger Institut für Wirtschaftsprüfung kann sich eine „Präzisierung der Höchstzahl der Mandate“ auf EU- oder nationaler Ebene durchaus vorstellen. Aber das Zentrum für Europäisches Wirtschaftsrecht in Frankfurt/Main verweist auf eine internationale Expertenkonsultation zum EU-Grünbuch. Dabei habe sich eine Mehrheit der Teilnehmer dafür ausgesprochen, „dass die Verantwortung für ein adäquates zeitliches Engagement der Mandatsträger bei den Unternehmen selbst liegen sollte“. Nur eine Minderheit der befragten Experten sprach sich für eine gesetzliche Begrenzung aus, wobei eine Höchstzahl der Mandate von drei bis fünf genannt wurde.

Die noch nicht abgeschlossene Diskussion auf EU-Ebene müsste den Senat nicht hindern, seine eigenen Regeln zu korrigieren. Eine Begrenzung der Aufsichtsratsmandate beträfe in Berlin hauptsächlich den Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos). Er ist Aufsichtsratschef bei BVG, BSR und Novoberlin, und sitzt außerdem im Aufsichtsrat von Charité, Vivantes und der Wasserbetriebe. Die anderen Senatskollegen nehmen bei den großen und mittleren Landesbeteiligungen höchstens vier Mandate wahr – die Arbeit in Kuratorien, Stiftungsbeiräten usw. in hauptsächlich kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen nicht eingerechnet. Die herausgehobene Rolle Nußbaums begründet seine Sprecherin damit, dass er in den großen öffentlichen Unternehmen seine Rolle als Beteiligungssenator wahrnehme.

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